junokai Tipp der Woche – KW10 2020

Der ultimative Inbound-Gesprächsleitfaden


Um das gleich offen vorweg zu sagen: Den gibt es nicht. Wenn Sie aufgrund des Titels nun also gehofft hatten, hier die Antwort auf alle Fragen zu finden, muss ich Sie leider enttäuschen. Oder Ihnen sagen: „42“*, aber auch das hilft Ihnen an dieser Stelle vermutlich nicht weiter. Nun könnten Sie hier also eigentlich aufhören zu lesen.


Sie können aber auch bleiben und ein paar Gedanken folgen, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Denn auch wenn es „die“ ultimative und universalgültige Anleitung für Ihre Kundengespräche leider nicht gibt (denn zu unterschiedlich sind Unternehmen, Kunden, Anliegen und Lösungen in ihrer ganzen Vielfalt), so finden wir bei näherer Betrachtung doch einige Bausteine, die in einem guten Servicegespräch nicht fehlen sollten – und Ihren Mitarbeitern helfen, Ihren Kunden genau das gute Serviceerlebnis zu bieten, das sie erwarten.

Um eine Erwartung zu erfüllen macht es Sinn, diese erst einmal auch zu kennen. Deshalb:
Was wünscht sich der Anrufer?
Die Frage lässt sich leicht beantworten, wenn man sich in die Rolle und die Situation eines Kunden versetzt, der eine Servicehotline anruft. Er wird das eher selten tun, um Ihnen einfach mal zwischendurch mitzuteilen, dass alles läuft – dass er zufrieden ist, die Technik funktioniert, der Preis stimmt und rundherum alles eitel Sonnenschein ist. Das wäre schön, aber so sind wir Menschen nicht. Er wird anrufen, weil er ein Problem hat, eine Frage oder ein Anliegen. Etwas, das ihn gerade jetzt beschäftigt, das ihn stört, das er jetzt und genau jetzt im Kopf hat und sich dafür eine Antwort bzw. eine Lösung wünscht. Vielleicht hat er sich schon vorher auf Ihrer Website oder durch Internetrecherche versucht, schlau zu machen bzw. das Problem zu lösen und hat nun trotzdem noch den Wunsch mit Ihrem Unternehmen zu sprechen.

Er gibt Ihnen dadurch die Gelegenheit, das Versprechen einzulösen, das Sie ihm gegeben haben: Denn Sie sind eben nicht nur derjenige, der monatlich Geld von seinem Konto abbucht. Sondern Sie sind sein Partner. Sie stellen den Kunden in den Mittelpunkt Ihres Handelns. Sie nehmen ihn ernst. Und genau das ist es auch, was sich Kunden üblicherweise im Service wünschen. Sie möchten ernst genommen werden und sich individuell betreut fühlen. Für Ihre Customer-Care-Agenten mag dieser Anruf Alltag sein, der siebenundvierzigste immer gleiche Call an diesem Tag. Das ist keine Schande. Für den Kunden aber ist es der eine Anruf, der eine Kontakt, der ein akutes und konkretes Problem lösen soll, das seinen Alltag nun gerade unterbrochen hat.

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Baustein 1: Bedarfsanalyse – erstmal verstehen was der Kunde will
Hatten wir das nicht eben? Nicht ganz. Denn hier geht es konkret darum, das durch den Kunden formulierte Anliegen bzw. seine Frage und seinen Bedarf wirklich zu verstehen. Dazu braucht es Dialog und Rückfragen. Nicht jeder Kunde ist technisch so versiert, sein Problem mit dem Mobiltelefon sofort so zu schildern, dass der Servicemitarbeiter es erfassen und die Lösung finden kann (meine Mutter ist hier ein hervorragendes Beispiel). Nicht jeder Kunde kann sein Anliegen auf Anhieb so schildern, dass die Antwort auf der Hand liegt. Aber leider neigen Servicemitarbeiter manchmal dazu, nicht erst nachzufragen oder tiefer ins Anliegen einzusteigen, sondern präsentieren die erstbeste und naheliegendste Lösung. Vielleicht weil sie beispielsweise durch Gesprächszeit-Ziele getrieben sind.

Ein Beispiel aus der Welt der Mobilfunkanbieter:
Kunde: „Ich möchte mit der Vertragsverlängerung ein neues Mobiltelefon. Welches empfehlen Sie mir?“
Mitarbeiter: „Nehmen Sie das neue XXX, das haben wir gerade im Angebot.“

Wird der Kunde mit dem Gerät glücklich sein? Der Mitarbeiter kennt den Bedarf des Kunden doch gar nicht. Hatte er bisher Apple oder Android, möchte er auch dabeibleiben oder wechseln? Wofür benutzt er sein Telefon üblicherweise, und daraus abgeleitet: Welchen Prozessor, welchen Speicher und welche Kameraqualität braucht er? Möchte er einen möglichst großen Bildschirm oder eher ein kompaktes Gerät? Welche Marke mag er (oder ist ihm das nicht wichtig)? Wieviel kann oder will er ausgeben? Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter dazu, schon zu Beginn des Gesprächs in einen echten Dialog einzutreten, und dem Kunden gezielt Fragen zu stellen. Sei es, um das Anliegen besser zu erfassen, sei es, um sicher zu gehen, dass es auch wirklich richtig verstanden wurde. Diese kurze Zeit zu Gesprächsbeginn ist gut investiert und wird dafür sorgen, dass der Anruf in der Folge umso kürzer wird (weil es von vorne herein in die richtige Richtung geht), dass der Kunde zufriedener ist (weil er spürt dass sein Anliegen individuell betrachtet wird) und dass der Mitarbeiter zufriedener ist (weil er dem Kunden gezielt helfen kann). Oder um es mit einem alten und bekannten Sprichwort zu sagen: „Wer fragt, führt“.

Baustein 2: Beratung bzw. Problemlösung – vollständig und umfassend
Natürlich gibt es Fragesteller, die ein sehr konkretes und spezifisches Anliegen haben („Wie spät ist es?“) und die genau darauf eine Antwort („Es ist 11.23 Uhr“) und keine weiteren Vorträge hören möchten (über Uhren und deren historische Entwicklung, über philosophische Hintergründe zum Zeitbegriff nach Kant, oder darüber wie spät es gerade in Burkina Faso ist). Auf solche konkreten Fragen sollten wir einfach nur konkrete Antworten geben. Aber in den meisten Fällen ist das Anliegen des Kunden ein wenig komplexer. Und hier gilt: Guter Kundenservice ist vollständig, gute Antworten sind so umfassend wie nötig. Und zwar aktiv durch den Kundenberater getrieben. Kein Kunde möchte schließlich Ihrem Mitarbeiter alle Einzelteile der Antwort erst mühsam aus der Nase ziehen. Guter Service bedeutet, dass der Mitarbeiter dem Anrufer aktiv alles nennt, was für den Kunden und sein Anliegen wichtig ist.

Wieder ein Beispiel aus der Mobilfunkwelt:
Kunde: „Ich fahre im Sommer in Urlaub. Was kann ich da mit meinem Handy machen, damit ich weiter telefonieren und surfen kann?
Mitarbeiter: „Wohin fahren Sie denn?“
Kunde: „Nach Ägypten.“
Mitarbeiter: „Kaufen Sie am besten am Flughafen vor Ort eine Prepaid-SIM-Karte.“

Nun, diese Antwort ist für viele Fälle sicher nicht grundlegend falsch. Aber ist das wirklich die beste oder gar einzige Antwort, für den Kunden und für das Unternehmen? Immerhin hat der Mitarbeiter teilweise Baustein 1 befolgt und zuerst einmal gefragt, um welches Land es überhaupt geht. Und möglicherweise ist es für Ägypten tatsächlich zutreffend, dass eine lokale SIM-Karte die beste Lösung ist. Der Kunde wird sich trotzdem fragen: Und da gibt es keine anderen Möglichkeiten?

„Vollständig“ könnte in dem Fall bedeuten: Nach einem Blick in die Kundendaten sieht der Agent, dass der Kunde den Tarif XXX hat. Nach einem Blick in seine Wissensdatenbank sieht er, dass es für Ägypten bei diesem Tarif verschiedene Optionen gibt, beispielsweise durch Zubuchen eines Auslandspakets mit einer gewissen Daten- und Sprachnutzung pro Monat. Vielleicht gibt es dafür sogar verschiedene Pakete. Oder es bietet sich ein Tarifwechsel an, falls der Kunde öfter in dieses Land reist (woher wir das wissen könnten? Siehe Baustein 1). Und sicherlich ist auch relevant, wie lange der Kunde überhaupt im Ausland ist. All das sollte ein Servicemitarbeiter dem Kunden auch nennen – denn Kundenservice bedeutet auch, dem Kunden verschiedene Optionen zu bieten (sofern es sie gibt) und ihm dann idealerweise auch eine Empfehlung (mit Begründung) auszusprechen. Das signalisiert, dass wir den Kunden ernst nehmen, ihm auf Augenhöhe begegnen, ihm offen seine Optionen nennen und ihm nichts verheimlichen – und dass wir uns Zeit für sein Anliegen nehmen (also: dass er uns wichtig ist). Und nicht zuletzt, durch die konkrete Empfehlung: Dass wir auf genau seine Frage und genau seine Umstände individuell eingehen (s.o., „Was wünscht sich der Anrufer?“).

Baustein 3: Extratipp – das Sahnehäubchen auf dem Call
Dazu gibt es in der Businesswelt viele knackige Begriffe wie „die Extrameile gehen“, „deliver plus one“ oder „overperformen“. Wenn Sie jetzt an Manager-Bullshit-Bingo denken liegen Sie nicht falsch. Aber: Das macht den grundlegenden Ansatz dieser Begriffe nicht weniger richtig, erst recht und gerade nicht im Kundenservice.

Im Gegenteil: Wir freuen uns üblicherweise, wenn wir neben der blanken und trockenen Antwort auf eine Frage noch eine passende und wertvolle Extrainformation bekommen. Nach der wir zwar nicht gefragt haben (vielleicht weil wir gar nicht wissen, was wir nicht wissen), die uns aber konkret weiterhilft. Im Anliegen aus Baustein 2 könnte das beispielsweise sein:

  • „Denken Sie übrigens daran, Ihre Mailbox abzuschalten, sonst wird es potenziell teuer.“
  • „Nutzen Sie am besten wo es geht kostenlose Wifi-Netze (im Hotel, in Restaurants, …).“
  • „Schalten Sie am besten während Ihrer Reise die automatischen Updates Ihres Betriebssystems ab, oder konfigurieren Sie sie so, dass sie Updates nur downloaden, wenn Sie in einem WiFi sind.“
  • „Denken Sie daran: Bilder und vor allem Videos sind wahre Datenfresser. Gerade die sollten Sie am besten nicht im Mobilfunknetz vor Ort verschicken, sondern über ein Wifi.“

Solche hilfreichen Zusatzinformationen zu geben zeigt dem Kunden, dass Ihr Servicemitarbeiter sein Handwerk versteht, dass er weiß wovon er spricht, und dass er dem Kunden bestmöglich weiterhelfen will. Sie sind das Sahnehäubchen auf dem Törtchen (aka dem Gespräch), die Kirsche und die Schokostreusel. Sie sind die kleinen Extras, die aus dem trockenen Törtchen etwas Besonderes machen. Die aus ihrem Kundenservice etwas machen, das dem Kunden einen Grund gibt anderen davon zu erzählen und Ihr Unternehmen damit weiter zu empfehlen.

Baustein 4: Sales – ein ganz natürlicher Bestandteil von Service
Bücher wurden darüber geschrieben. Viele Bücher. Kurse, Trainings und Ratgeber. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass Verkauf längst ein integraler Bestandteil von Service ist, und dass Sie jeden Kundenkontakt auch nutzen sollten, um Cross- und Up-Sales-Potenziale zu realisieren.

Nur so viel: Ein gutes Beratungsgespräch ist immer auch eine gute Grundlage für nachfolgende Vertriebsansätze. Ein Kunde, der sich zuvor mit seinem Anliegen wertgeschätzt, ernst genommen und gut betreut gefühlt hat, wird in dieser positiven Gesprächsatmosphäre mit höherer Wahrscheinlichkeit auch offen sein für das, was dieser kompetente Servicemitarbeiter ihm noch empfiehlt. Hat er ihn doch auch zuvor gut beraten und ist individuell auf seine Fragen eingegangen. Die Bausteine 1 bis 3 mögen keine Garantie für ein anschließendes Cross-Selling sein – eine gute Grundlage dafür sind sie sicherlich. Und auch wenn der Anrufer am Ende nichts kauft: Sie haben ihm im Gespräch zuvor weitergeholfen, sind auf sein konkretes Anliegen individuell eingegangen, haben ihm wertvolle Zusatzinformationen gegeben und ihn wertgeschätzt. Sie haben einen Beitrag dazu geleistet, ihn als Kunde zu behalten und zu begeistern. Vielleicht erzählt er sein positives Erlebnis sogar weiter und sein Zuhörer entscheidet sich deshalb für Ihr Unternehmen – ein indirekter Verkaufserfolg Ihres Kundenservice, sozusagen.

Guter Kundenservice ist oft die günstigste Art der Kundenbindung und der Kundengewinnung.

*Falls Sie sich jetzt fragen: „42?“, empfehle ich Ihnen dringend „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams

Autor: Gerhard Klose, Senior Berater, Jonukai

http://www.junokai.de

 


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