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Service-Trends 2022 : 5 Dinge, die Sie über Ihre Kunden wissen sollten

2022 ist da – und alles bleibt anders! Nur wie genau? Ich sehe eine Reihe von Paradoxien, die Menschen und Unternehmen unter Spannung setzen und halten werden. Was heißt das für Sie? Wo liegen die Fallstricke? Wo die Chancen? Hier meine Trendprognose. Erster Teil: Ihre Zielgruppe.


1. Cocooning vs. neue Abenteuerlust
Anstreichen, Netflixen, Tomaten ziehen – seit 2020 haben viele ihren Fokus eingeengt auf ihre eigene Welt. Kleine Erfolgserlebnisse drinnen dienen als Wall gegen die Tristesse draußen. Laut Forschungsinstitut Rheingold speist sich der verbliebene Zukunftsoptimismus aus dem Glauben an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten (79 Prozent), aus der eigenen Familie (79 Prozent) und dem persönlichen Umfeld (81 Prozent). Vor dem Hintergrund einer „Gesellschaft im Daueralarm“ konstatiert das Zukunftsinstitut ein neues Verlangen nach Sicherheit. Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite wächst die Lust auf Freiheit und Abenteuer. So werden unsere Kundinnen und Kunden in 2022 hin und hergerissen sein zwischen drinnen und draußen. Sie werden Third Places – Parks und Bibliotheken, Cafés und Fitnessstudios – sehnsuchtsvoll aufsuchen, und sich doch immer wieder zurückziehen (müssen) zum privaten Treffen in der Küche, via Zoom und Chat. Sie werden ihre Yogamatte im Wohnzimmer ausrollen und Urlaub auf Balkonien buchen und dann, wenn ihnen die Decke auf den Kopf fällt, ihr Homeoffice ans Meer verlegen. Kaum etwas bringt diese Paradoxie besser zum Ausdruck als die jüngste Erfindung der Tourismus-Industrie: „Workation“. 2022 müssen wir beides adressieren: den Wunsch nach Sicherheit und die Sehnsucht nach Freiheit.

2. Egozentrismus vs. neues Wir-Gefühl
Staunten wir Anfang 2020 noch über eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft, so hat sich dieser Trend verflüchtigt und kehrt sich 2022 möglicherweise in sein Gegenteil um. In ihrem aktuellen Fjord Trend Report prognostiziert Accenture Interactive eine neue Me over We Mentalität. Auf Kundenseite entwickeln sich ein immer stärkeres „Gefühl der Selbstbestimmung“ und immer mehr Individualismus. Dies verändert unsere Kundenbeziehungen tiefgreifend, und intern unsere Führungspraxis.

Die Paradoxie: Mit dem Wunsch nach Selbstbestimmung steigt der Bedarf an „Fürsorge“, in der menschlichen Begegnung wie auch digital. Für Unternehmen bedeutet das einen höheren Aufwand – und neues Service-Business. Von Online-Beratung und Therapie, Antizipation von Kundenwünschen via KI, Lieferservice bis in die Wohnung bis hin zu Plattformen, über die Menschen füreinander sorgen können – all das gibt es schon. 2022 wird uns mehr von beidem bringen: mehr Ego und mehr Wunsch nach Wir.

3. Gender Shift vs. Backlash
Frau oder Mann, oder was? Auf der einen Seite scheint das Geschlecht eines Menschen heute so fluide und verhandelbar wie wohl noch nie zuvor. Der aktuelle Gender Shift bringt einen Pluralismus, auf den Unternehmen mit dem Aufbrechen starrer Design- und Service-Schubladen reagieren. Business wird bunter, wird diverser, und das macht McKinsey zufolge alle erfolgreicher. Gut so!

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Andererseits: Unter dem Druckkessel der Pandemie erleben wir eine Gegenbewegung in das Mindset der 1950er Jahre. Vielerorts haben sich doch wieder die Mütter um Homeschool, Mittagessen und Co. gekümmert, haben ihre Projekte und Karrieren aufgegeben. Weitergedacht: Ältere Menschen gelten immer weniger als spannende Silver Ager oder Glam Grannys – sondern als „Risikogruppe“. So enttäuschend diese Erfahrung für die oder den Einzelnen auch ist: für Dienstleister öffnen sich hier neue Möglichkeiten, von Online-Kinderbetreuung über Online-Wäscheservices, Online-Nachhilfestunden bis hin zu Lebensmittellieferungen. Das alles wird 2022 weiterwachsen und Services herausfordern: der Wunsch nach mehr Bunt, Wahlfreiheit und Chancen für alle – und die Beharrungskraft alter Muster.

4. Supernerds vs. neue Irrationalität
Mit dem Internet kam die superinformierte Kundschaft: Testberichte, technische Details, Preise – seit dies alles schon vor dem Kauf im Kundenkopf ist, hat sich die Interaktion vom Informationsgespräch zum Menschmoment gewandelt. Gut! Aber: Die von Social Media befeuerte Dauer-Alarmstimmung, die heftigen Wellenbewegungen zwischen Untergangsangst und Aufbruchshoffnung und eine neue Irrationalität haben uns selbst und unsere Klientel verändert. Wir werden uns zunehmend mit Ambiguitätstoleranz befassen müssen – auch und damit, welche Kundinnen und Kunden wir nicht mehr tolerieren wollen. 2022 werden viele Kundengespräche zu einem Tanz auf dem Vulkan.

5. Low Touch vs. neue Lust auf Nähe
Lockdowns und Social Distancing haben unser Alltagsempfinden umgekrempelt: Was wir zuvor an Nähe unter Fremden normal fanden, gilt uns heute als aufdringlich. Wie wir zuvor mit Unternehmen in Kontakt traten, erscheint uns als hygienische Zumutung. Vor diesem Hintergrund haben sich sämtliche Kundenschnittstellen radikal verändert: Digitale Kanäle wie Websites, Social Media, Live Chats oder Chatbots sind jetzt erste und wichtigste Schnittstelle – statt Zusatzfunktion. Digital First ist das neue Normal.

Und mehr noch: Der Imperativ des Abstands hat ganze Servicebranchen auf den Kopf gestellt: Friseure verloren einen Teil ihrer Klientel an Haarschneidemaschinen, die Fitnessbranche an Trainingsapps für zu Hause, Hotels gaben Gäste an die Camper-Branche ab. Der neue Trend heißt „Low-Touch“. Das Paradox: Gleichzeitig wächst eine neue Sehnsucht nach echten und tragfähigen Beziehungen. Die überwältigende Solidarität während der Flutkatastrophe im Ahrtal hat gezeigt, dass wir beides können: Abstand halten und Menschmomente leben. 2022 werden wir dies immer wieder neu ausbalancieren müssen – und unserer Klientel beides bieten müssen.

Service Champions werden diejenigen sein, die die Paradoxie der Wünsche auf ein neues Level heben, und beides zugleich adressieren: Customer Experience in höchster Intensität, und zwar digital und persönlich. Hybride Kundenliebe – das ist die Herausforderung 2022.

Wie sehen Sie das?

 

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