Alles „NEW“ oder was?

New Work – New Normal – New Business. Alles ist neu oder soll neu werden. Wirklich neu ist das aber nicht immer. Veränderte Arbeitsmodelle und flexiblere Geschäftsprozesse werden schon lange gefordert und wurden bereits vor Covid vielerorts umgesetzt. Die Corona-Pandemie aber wirkt in diesem Transformationsprozess als enormer Katalysator des Wandels – auch im Call Center.


Viele Organisationen ebenso wie ihre Mitarbeitenden wurden in Pandemie-Zeiten praktisch ins kalte Wasser der neuen Freiheit eines ortsunabhängigen und zeitlich deutlich flexibleren Arbeitens geworfen. Dies lief in den meisten Fällen zwar letztlich deutlich besser als erwartet, aber weder technisch noch organisatorisch reibungslos. Die Anforderungen von Arbeit, Haushalt und Freizeit ließen sich im Sinne einer gesunden Work-Life-Balance nicht immer auf einen Nenner bringen, neue Herausforderungen etwa in der Betreuung der Kinder angesichts geschlossener Schulen und Betreuungseinrichtungen eingeschlossen. Zugleich dauerte es nicht lange, bis viele Beschäftigte den Mangel an direkten Kontakten und Austausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen und damit einen Verlust von Teamgefühl und Zugehörigkeit zu beklagen begannen. Grund zu klagen meinten auch oftmals die Führungskräfte zu haben, die – seit jeher mitunter eher Gegner von Homeoffice und Telearbeit – etwaige Kontrollverluste und mangelnde Steuerungsmöglichkeiten befürchteten und ihr Führungsverhalten grundlegend überdenken mussten. Was bedeutet das alles nun für das Arbeitsleben nach der Pandemie? Zurück zur alten und gewohnten Normalität? Sollte dies überhaupt möglich sein, wäre es vielleicht der auf den ersten Blick einfachere und weniger konfliktträchtige Weg. Er würde aber viele Chancen ungenutzt lassen, Lehren aus der Krise zu ziehen und veränderte, bessere Wege einzuschlagen, denn nach anderthalb Pandemie-Jahren hat sich in der Fläche gezeigt, dass beide geschilderten Klageebenen – richtig verstanden und passend adressiert– weitgehend gegenstandslos geworden sind.


New Technology
Die technischen Aspekte veränderter Arbeitsweisen ließen sich trotz anfänglicher Digitalisierungshürden, Wissens Defizite und Lieferschwierigkeiten scheinbar noch am einfachsten lösen. Mobile Hardware und Kommunikations-Tools ermöglichen die Arbeit abseits des klassischen Büroschreibtisches, Web-basierte Lösungen und Apps unterstützen eine zeit-, orts- und geräteunabhängige Aufgabenerfüllung. Hier gilt es für die Zukunft, die oftmals über Nacht entstandenen Lösungen auf ihre Effektivität hin zu überprüfen und zu konsolidieren, um dauerhaft tragfähige, sichere und effiziente technische Strukturen zu schaffen. Hierzu gehört auch, erweiterte technische Möglichkeiten konsequent zu nutzen. Die Integration bestehender Lösungen und Systeme mit Chatbots, erweiterter Interactive Voice Response, echter Multi-Channel-Kommunikation, Augmented Reality und künstlicher Intelligenz im Service bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Agenten von Standardaufgaben zu entlasten und zugleich das ServiceErlebnis für den Kunden zu verbessern. Das Management von Service-Einheiten lässt sich dank fortgeschrittener Digitalisierung ebenfalls optimieren. Integrierte Routing- und Steuerungsmechanismen sorgen für verbesserte Arbeitsprozesse und ein flexibleres Arbeiten, indem sie etwa ortsunabhängig den Status von Agenten anzeigen und automatisch die Verbindung mit verfügbaren Service-Ressourcen herstellen. Ein umfassendes Reporting schließlich ermöglicht es dem Service Center Management, den Überblick auch über verteilte Teams und individuelle Arbeitsplätze zu behalten sowie die Erreichung der Qualitätsstandards und Service Level in Richtung Kunde sicherzustellen.

 

Die zu erreichenden Veränderungen
sind meist nur zu höchstens 40 Prozent
technischer Natur, zu mindestens 60
Prozent aber Change Management und
Transformationsbegleitung.

 

New Business
Märkte werden globaler, Angebote und Leistungen vergleichbarer, immer mehr Marktteilnehmer tummeln sich insbesondere im Internet und buhlen um die Gunst der Kunden. Durch die steigende Zahl ähnlicher Angebote und die wachsende Selbstverständlichkeit der Nutzung von Online-Angeboten sind gerade die jüngeren Zielgruppen zudem deutlich wechselwilliger als frühere Kundengenerationen. Anstatt auf die traditionelle Treue von Kunden zu vertrauen, kommt es für die Anbieter von Produkten und Leistungen immer stärker darauf an, sich durch guten Service vom Wettbewerb abzuheben. Wie aber soll ein solcher einzigartiger Service erreicht werden, wenn nicht durch komfortable und intuitive digitale Angebote einerseits und persönliche, emphatische Ansprechpartner andererseits? Schon heute ist es vielerorts nicht einfach, geeignete Mitarbeiter für den eigenen Service zu finden. Auch hier gilt wie auf Kundenseite: Nur wenn Service Center in der Lage sind, ihre Mitarbeitenden durch technische Ausstattung ebenso wie attraktive Arbeitsbedingungen zu begeistern, können sie dauerhaft geeignete und motivierte Service Mitarbeiter finden und halten. Gerade die Corona-Zeit hat hier gezeigt, dass auch im Service-Center-Markt viel mehr „remote work“ und somit individuelle Arbeitsplatzgestaltung möglich ist, als das im Vorfeld vorstellbar geschweige denn realisierbar gewesen wäre.

 

Letztlich geht es immer nur darum,
kommunikative Aufgaben effizient und
für den Anfrager möglichst zielführend
zu erfüllen und dabei die Belange und
Bedürfnisse der Mitarbeitenden nicht
aus den Augen zu verlieren.

 

New Work & Employee Experience
Die Natur der Digitalisierung verleitet dazu, die technischen Aspekte dabei in den Vordergrund zu stellen. Die zu erreichenden Veränderungen sind aber meist nur zu höchstens 40 Prozent technischer Natur, zu mindestens 60 Prozent aber Change Management und Transformationsbegleitung. Damit aus technischer Evolution tatsächlich auch greifbare Vorteile werden können, braucht es das Bewusstsein, dass Digitalisierung und deren Technologien nur die Werkzeuge sind, um Prozesse, Kommunikationsbeziehungen und Arbeitserfahrungen der Mitarbeitenden zu erleichtern und zu verbessern. Damit schnell und bestmöglich mit neuen Anwendungen und Arbeitsmethoden gearbeitet werden kann und damit Mitarbeiter diese als Erleichterung und nicht als Bedrohung wahrnehmen, müssen Veränderungen als komplexes Zusammenspiel von Organisation, Mensch und Technik verstanden werden. Im Sinne eines integrierten Ansatzes von Work & Experience gilt es zu hinterfragen, welche Bedürfnisse, Wünsche und Sorgen Mitarbeitende haben, wenn sie ihren Aufgaben nachgehen. Auch hier haben die Monate der Pandemie ein verstärktes Bewusstsein geschaffen, da hier Ängste, Sorgen und Wünsche angesichts sehr kurzfristig neu gestalteter Arbeitsbedingungen öfter auch offen geäußert wurden, als dies in der zuvor gewohnten Arbeitsumgebung der Fall war. Neben dem Verständnis der unternehmerischen Herausforderungen und innovativen, digitalen Möglichkeiten treten damit auch verstärkt neue Formen der Zusammenarbeit ebenso wie neue Führungs- und Lernmodelle über den ganzen Mitarbeiterlebenszyklus in den Fokus. Erst auf dieser Grundlage lässt sich entscheiden, welche Möglichkeiten es gibt, die zukünftigen Aufgaben optimal in der Organisation umzusetzen, welche Organisationsstrukturen und -prozesse auf Grundlage einer klar formulierten Vision und entsprechenden Zielausrichtung sinnvoll sind, welche (IT-) Services dafür benötigt werden und welche Kompetenzen gegebenenfalls noch fehlen, wenn eine neue Anwendung oder neue Arbeitsmodelle ausgerollt werden sollen. In der Pandemie wurden der Krisenlage geschuldet einige dieser Überlegungen zurückgestellt oder übersprungen. Wenn es nun an die Gestaltung der Post-CoronaArbeitswelt im Unternehmen geht, wird eine umfassende, menschzentrierte Betrachtung der Wechselwirkungen von Menschen, der Organisation und der Technik nachzuholen sein, um die Erwartungen und Bedürfnisse aller Beteiligten dauerhaft zu berücksichtigen. Während also die bisherigen Großraumbürobewohner neue oder veränderte Arbeitsweisen erproben und deren Vorteile erfahren, bieten sich dann zugleich auch große Chancen für bisherige Telearbeiter. Vielerorts sind bereits seit Jahren Service-Mitarbeiter mitunter dezentral oder auch von zu Hause tätig. In klassischen Strukturen fehlte diesen trotz Telefon- und Videokonferenzen oftmals das Team-Gefühl und die Identifikation mit ihren Kollegen und ihrer Tätigkeit. Mit den Methoden und Technologien im Zusammenhang mit New Work und der Betrachtungsweise von Work & Experience bietet sich hier die Möglichkeit, ein
ganz neues Miteinander zum Vorteil aller Beschäftigten zu etablieren.

© Schug, Katharina Schug, Head of UC & Contact Center, CONET


New Service
Unsicherheiten und Ängste gab es gerade in den vergangenen Monaten auch im beruflichen Alltag zur Genüge. Aber zugleich sind teils neue, teils neu bewertete Wege sichtbar geworden, diese zu adressieren. In vielen beruflichen Szenarien – ob im Großraumbüro, am Einzelarbeitsplatz oder im Homeoffice – bietet sich nun die beinahe einmalige Chance, bisherige Ansichten und Arbeitsweisen auf die Probe zu stellen, und die Weichen für eine New Work Experience zu stellen. Unter Nutzung digitaler Lösungen ebenso wie agiler Herangehensweisen lassen sich Service und Kommunikation neu denken: zum Nutzen interner Arbeitsprozesse ebenso wie der Service-Leistung für den Kunden. In allen diesen Belangen lohnt sich insbesondere auch für die Contact-Center-Branche der Blick über den eigenen Tellerrand. Denn mit zunehmender Vernetzung und Digitalisierung gleicht sich nach und nach die Arbeitsweise aller im Kunden-Service beteiligten Berufsbilder mehr und mehr an. Ob es der klassische Call-Center-Agent, der Inhouse Service, das Bürgertelefon oder die Notrufzentrale ist: Sowohl technisch als auch in der täglichen Aufgabenerfüllung verschwimmen alte Grenzen und die Herausforderungen ähneln sich zusehends. Die Integration von technischen Tools ebenso wie veränderte Arbeitsweisen betreffen alle Service-Bereiche, ob diese sich bislang als Contact Center verstanden haben oder auch nicht – denn letztlich geht es immer nur darum, kommunikative Aufgaben effizient und für den Anfrager möglichst zielführend zu erfüllen und dabei die Belange und Bedürfnisse der Mitarbeitenden nicht aus den Augen zu verlieren.

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AUTORIN: KATHARINA SCHUG,
HEAD OF UC & CONTACT CENTER
BEI CONET
www.conet-communications.de 


Conet_INTRE_2021-04_Beitrag_01

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