Krisenmanager des Jahres 2021 – Robert Sluka

Robert Sluka

Leitung Customer Care

Österreichische Bundesbahnen


Fünf Tage für den Fünf-Jahres-Plan.

 

Robert Sluka ist Leiter der Customer Care ÖBB. Das Unternehmen setzt auf das Feedback der Fahrgäste und musste sich während der Corona-Pandemie wie viele andere großen Herausforderungen im Kundenservice stellen.

INTRE: Als Krisenmanager hatten Sie in den letzten Jahren ja nicht gerade wenig zu tun. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation? ROBERT SLUKA: Na ja, die Pandemie wurde von uns von Anfang an als Herausforderung gesehen, die es zu meistern galt. Waren es am Anfang vor allem logistische Herausforderungen, so sind wir aktuell mit den „new ways of work“ im Hier und Jetzt angekommen. Als Team können wir aber ausgezeichnet mit der Situation umgehen und viele Mitarbeiter schätzen vor allem die Homeoffice-Situation.

INTRE: Gab es je Zweifel im Unternehmen ÖBB, dass das Homeoffice nicht klappen könnte? ROBERT SLUKA: Zu Beginn der Pandemie hatten rund 10 % unserer Mitarbeiter Homeoffice: maximal zwei Tage die Woche und hier auch nur jene im schriftlichen Bereich. Fünf Tage, nachdem der erste Lockdown begonnen hatte, war die Quote bei 100 %! Im Unternehmen gab es davor wohl auch einige Kritiker, die dachten, im Homeoffice sei man nicht so produktiv, es würde eh nur Netflix geschaut. Aber ich hatte immer Vertrauen zum Team und wusste vom ersten Augenblick an, dass es klappen wird! Und gerade im CustomerCare-Bereich ist man ja durch all die aktuellen Dashboards und Reportings sowieso sehr transparent, was die Leistung anbelangt. Dass das ÖBB Kundenservice auch mal von zu Hause aus telefoniert, dies war mein Plan der nächsten fünf Jahre. Letztlich haben die fünf Jahre dann doch nur fünf Tage gedauert.

INTRE: Hat diese neue Arbeitssituation nicht auch eine andere Art der Kommunikation erfordert? ROBERT SLUKA: Sicher. Aber CC Agents sind es gewohnt, neue Situationen schnell zu antizipieren und das eigene Verhalten entsprechend zu adaptieren. Wir haben MS Teams als unser Kommunikationsmittel gefunden – und das klappt fabelhaft. Durch diese neue Situation und die vielen Chats kriege ich mittlerweile sogar intensiver mit, was tagsüber so auf unseren Hotlines los ist. Ich hatte auch in der vorpandemischen Zeit schon eine „Open Door Policy“, sprich: Jeder und jede konnte zu mir kommen, wenn etwas gebraucht wurde oder irgendwo der Schuh drückte. Jetzt sind wir eine eingeschworene Online-Community im ÖBB Kundenservice.

INTRE: Sie streichen sehr oft das Team in den Antworten heraus. Wie führt man denn Teams auf Distanz? ROBERT SLUKA: Prinzipiell ehrt es mich sehr, dass Ihr mich als Krisenmanager seht – aber sowas ist nie eine Einzelleistung. Das ÖBB Kundenservice-Team ist eine Familie. Das zeigt sich schon in den Chats, in denen jeder jeden in der Früh grüßt und sie sich am Abend eine Gute Nacht wünschen. „Gute Nacht John Boy“ – wie bei den Waltons. Durch MSTeams kann ich mit einem „Post“ alle Mitarbeiter gleichzeitig erreichen. Offene und ehrliche Kommunikation sind ganz wichtig, aber auch der Schmäh. Kundenservice ist oft keine leichte Aufgabe, umso wichtiger ist es, dass das Team auch lachen kann. Und mit Humor lässt sich fast alles leichter ertragen.

INTRE: Hat die Pandemie zum Umdenken im ÖBB Kundenservice geführt, im Sinne von: Wohin geht die technische Reise? ROBERT SLUKA: Prinzipiell hat die Pandemie die technische Reise nur beschleunigt! Wir sind quasi vom Regionalzug in der Railjet umgestiegen. Wir haben bei unseren strategischen Überlegungen immer die Kundenbrille auf und unsere Kunden und Kundinnen im Fokus. Wir fragen uns stets: Was kann das Bahnreisen und seinen Kontakt mit dem Kundenservice noch einfacher und noch bequemer machen. Insofern war auch das Homeoffice schon geplant, weil wir längst ahnten – und das ist ja auch genauso eingetreten –, dass die Mitarbeiter viel zufriedener werden und die Produktivität sich erhöht. Zufriedene Agents führen auch zu zufriedenen Kunden. Und unsere Reise geht weiter: Nach der Entwicklung eines Chatbots für die Kundenkartenanfragen unserer Kunden sind wir gerade bei der Entwicklung weiterer Bots. Dieses Jahr wollen wir auch ein Teamviewer-Modul für unsere Kunden etablieren, um ihnen noch besser bei Anfragen zur Bedienung bei einer Buchung helfen zu können. Also, die Reise bleibt spannend, für unsere Kunden – und auch für uns.

INTRE: Was erwarten Sie für die Post-Corona-Phase? Welche Änderungen wird es in der Branche geben? ROBERT SLUKA: Das Homeoffice ist definitiv gekommen, um zu bleiben. Auch die Meeting-Kultur wird sich ändern. Ich kann mir postpandemisch nicht mehr vorstellen, dass jemand für ein zwei Stunden Meeting von Wien nach Innsbruck fährt, wenn wir gleichzeitig in den letzten zwei Jahren festgestellt haben, wie einfach und effektiv ein Online-Meeting ist. Auch Fortbildungsmaßnahmen haben sich verändert, im Sinne von verbessert. Erst vor Kurzem habe ich wieder ein Onlinetraining der ÖBB absolviert. Das war einfach erklärt, interessant, auf den Punkt gebracht – und wurde auf der heimischen Couch absolviert. Früher hätte so etwas einen Tag Präsenztraining in Anspruch genommen. Meine Prognose lautet: Die technischen Entwicklungen werden noch schneller voranschreiten, als wir uns das in den kühnsten Träumen ausgemalt haben. Die Kunden werden Selfservices viel mehr nutzen, weil sie es mittlerweile gelernt haben – und werden persönlichen Service suchen, wo sie es für nötig halten. Dabei kann ich die Phrase „Die Telefonie ist tot!“ nicht mehr hören! Das Gegenteil ist richtig, denn wir orten gerade bei hohem und höchstem Online-Share überall auch ein gesteigertes Bedürfnis nach menschlicher Kommunikation. Auch dieses „neue Vertrauen“ in die Mitarbeiter, deren Produktivität und Kreativität hat in meinen Augen zu einer nachhaltigen Veränderung der Unternehmenskultur geführt. Die neu gewonnene Eigenverantwortung wird man ihnen nicht mehr nehmen können – und das ist auch gut so.

AUTOR: RED.

 

ÖSTERREICHISCHE BUNDESBAHNEN Als umfassender Mobilitätsdienstleister bringt der ÖBBKonzern jährlich 287 Millionen Fahrgäste und über 95 Millionen Tonnen Güter umweltfreundlich ans Ziel. 100 % des Bahnstroms stammen aus erneuerbaren Energieträgern. Die ÖBB gehörten 2021 mit rund 97 % Pünktlichkeit zu den pünktlichsten Bahnen Europas. Konzernweit sorgen knapp 42.000 Mitarbeiter bei Bahn und Bus (zusätzlich über 2.000 Lehrlinge) dafür, dass täglich rund 1,3 Millionen Reisende sicher an ihr Ziel kommen. www.oebb.at

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