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Intelligente Antworten

Auf eine konkrete Frage wollen Kunden eine klare Antwort.


Jochen Bedersdorfer, CTO und Thomas Dreikauss, Geschäftsführer der Sematell GmbH im Gespräch mit Intre.


INTRE: Wir haben uns vor rund einem Jahr getroffen. Ein Jahr ist in der IT eine Ewigkeit. Was hat sich in den zwölf Monaten, etwa im Bereich KI, Automatisierung, Digitalisierung getan? JOCHEN BEDERSDORFER: In den Forschungslaboren der IT-Unternehmen ist sicherlich eine ganze Menge passiert. Natural Language Processing und auch Speech-to-Text machen große Fortschritte. Es ist mittlerweile möglich, mithilfe von Algorithmen die Stimme und den Sprachduktus einer Person täuschend echt zu simulieren – das finden übrigens Betrüger besonders toll. Auch Textgenerierungs-Algorithmen, die Informationen aggregieren oder zu einem bestimmten Thema erstellen, werden immer besser. Aber man muss sich immer genau überlegen, welche Technologie Anwendung im Kundenservice finden soll. Für automatisch generierte Textpassagen auf Basis einer Wissensdatenbank mag das funktionieren, aber nicht generell. Im Kundenservice will ich ja redaktionell überprüfte Antworten senden und keine, die ein Algorithmus irgendwie zusammengeschrieben hat. Gefühlt sind aber beim Thema KI im Kundenservice seit letztem Jahr nur noch mehr Chatbots dazugekommen, die weiterhin nicht das liefern, was der Kunde im Service will. Über eine einfach strukturierte Suche geht das meist nicht hinaus. Deshalb favorisieren wir den hybriden Ansatz, bei dem Informationsabfragen oder einfache Antworten zum Beispiel von einem Bot kommen, dann aber der Chat wieder an einen Service-Mitarbeiter übergeben wird. Das sorgt einfach für eine bessere Customer Experience. Gleichzeitig steigert das auch die Produktivität des Service-Mitarbeiters. Beim Thema Automatisierung im Kundenservice geht es bislang meist um ganz einfache, einstufige Prozesse. Wir arbeiten aktuell am Thema Prozesserkennung, sodass auch mehrstufige Prozesse automatisiert werden können, zum Beispiel das Einholen weiterer benötigter Informationen.

INTRE: Wie hat sich das Thema Predictive Analytics entwickelt? Gibt es schon Kunden, die das nutzen? Wenn ja, wie ist das Feedback? BEDERSDORFER: Für Predictive Analytics gibt es bereits richtig coole Anwendungen, zum Beispiel für Ertragsprognosen bei erneuerbaren Energien oder Absatzprognosen im Retail-Bereich. Im Kundenservice ist Predictive Analytics aber bislang bei unseren Kunden kaum im Einsatz. Das Thema beobachten wir aber natürlich genau und überlegen, wie wir die Daten in ReplyOne so aufbereiten können, dass sie von Predictive-Analytics-Algorithmen verarbeitet werden können. Das wäre ja für Service-Verantwortliche insbesondere für die Personaleinsatzplanung interessant. Was wir bereits haben, ist ja eine Art Frühwarnsystem in ReplyControl, wenn sich bestimmte Anfragethemen plötzlich häufen.

INTRE: Was sind die Hürden im Bereich KI? Kosten, der Fachbereich blockt, Sorgen bei der Datensicherheit, unklare Business Cases, zu wenige Fachkräfte? BEDERSDORFER: All of the above. Nein, im Ernst. Das sind natürlich alles relevante Hürden. Ich sehe aber vor allem drei wesentliche Faktoren, warum der Markt da insgesamt noch nicht weiter ist: 1. Es fehlen Fachkräfte, um konkrete Lösungen zu entwickeln. 2. Die Datenmengen reichen im Kundenservice meist nicht aus, um auch die Vorteile von Deep-Learning-Algorithmen zu nutzen. 3. Die Kosten für maßgeschneiderte KI-Lösungen sind für die Unternehmen einfach noch zu hoch.

INTRE: Im Kundenbeziehungsmanagement muss die KI-Nutzung sowohl dem Unternehmen als auch dem Kunden dienlich sein. Die Frage ist jedoch, wer im Unternehmen dafür verantwortlich ist. Ab und zu stoßen wir auf einen Customer Value Officer. Wie gehen die Unternehmen generell damit um? BEDERSDORFER: An kreativen Jobtiteln mangelt es aktuell ja nicht und jedes Unternehmen geht anders damit um. Sie haben recht, KI sollte beiden nutzen – dem Kunden und dem Unternehmen. Wir sagen sogar, dass KI auch dem Mitarbeiter nutzen und ihn bestmöglich unterstützen sollte. Aber das ist nicht immer der Fall. Natürlich schreiben sich immer mehr Unternehmen eine gute Customer Experience auf die Fahne, aber bei einer Automatisierung durch KI stehen meist dann doch eher die Kosteneinsparungen im Fokus. Ich kann Unternehmen nur raten, KI-Anwendungen in die Qualitätssicherung einzubeziehen und zumindest stichprobenartig zu überprüfen, welche Antworten bei einer Dunkelverarbeitung, also einer komplett automatisierten Verarbeitung, an den Kunden gehen. Ob das in der Verantwortung eines Customer Experience Managers, Customer Value Officers oder Service Center-Leiters liegt, ist eher sekundär. Generell ist eine Dunkelverarbeitung nur sinnvoll, wenn das Thema der Anfrage wirklich präzise erkannt werden kann. Da sind wir mit ReplyOne ganz vorne mit dabei und können so einen hohen Automationsgrad realisieren.

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INTRE: Der nächste Evolutionsschritt ist die KI-gesteuerte App-Entwicklung, also Anwendungen, die sich ohne jeglichen menschlichen Einfluss selbst entwickeln. Stichwort: Low-Code-Konzept. Wird das in Deutschland schon gemacht? BEDERSDORFER: Zwischen Low-Code-Konzept und KI-gesteuerter App-Entwicklung liegen noch Welten. Low-Code-Anwendungen, bei denen die Abstraktionsebene so hoch ist, dass normale Anwender Systeme „programmieren“ können, werden bereits für Datenanalyse, Datenintegration oder auch Anwendungsintegration wie zum Beispiel die Integration einer CRM-Anwendung genutzt. Manuelles Coding ist teuer und es fehlen Programmierer. Der Low-Code-Ansatz eröffnet also Einsparpotenziale und ermöglicht, dass maßgeschneiderte Integrationen oder Applikationen sehr schnell entwickelt werden können. Abgesehen von den genannten Einsatzfeldern ist das Anwendungsszenario im Kundenservice aber eher noch diffus.


INTRE: Wenn man in den Unternehmen nachfragt, ob das Unternehmen KI nutzt, dann wird meistens als erstes der Chatbot genannt – selbst in Unternehmen, die mit KI arbeiten. Sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter mehr zu diesem Thema sensibilisieren? THOMAS DREIKAUSS: Das wäre großartig, aber da habe ich im Moment noch nicht allzu große Hoffnung. Im Augenblick gehen beim Thema KI ja auch die Begrifflichkeiten wild durcheinander: Bots, Robotics, Machine Learning, Deep Learning, Predictive Analytics – das wird alles über den gleichen KI-Kamm geschoren. KI ist zum Hype-Thema geworden und davon wollen natürlich viele Anbieter profitieren, auch die, die gar keine KI-Technologie nutzen. Das Kuriose ist ja, dass die meisten Chatbots einfache Suchabfragen sind, die nur eine zuvor für das Stichwort oder die Frage vorgesehene Antwort geben. Sie nutzen keine KI-Technologie und sind nicht lernfähig. Trotzdem reden alle beim Thema KI plötzlich von Chatbots.
Viele Unternehmen kommen angesichts der öffentlichen Diskussion in eine Art Zugzwang, „etwas mit KI“ zu machen, um sich nach außen als modern und progressiv darzustellen. Das führt dann aber manchmal dazu, dass Fehlinvestitionen in nicht marktreife Technologiestudien oder Prototypen getätigt werden, die längst nicht halten, was sie versprechen. Machine Learning ist nach meiner Einschätzung momentan die KI-Technologie, die vermutlich am häufigsten bei Unternehmen bereits im Einsatz ist und sich da auch schon bewährt hat – nicht nur im Kundenservice. Das klingt aber natürlich nicht ganz so sexy wie künstliche Intelligenz. Ich denke, dass wir alle beim Thema KI noch viel Aufklärungsarbeit leisten müssen. Für eine zuverlässige Prozessautomatisierung brauche ich nämlich keine Hollywood-KI, die Schach spielt und über Gott und die Welt diskutiert, man kann aber trotzdem mithilfe von Machine Learning hohe Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen realisieren.

INTRE: ReplyOne verwaltet schriftliche Eingangskanäle wie Facebook, WhatsApp, Instagram, E-Mail, Brief, Chat etc. auf einer Plattform. Wird der Kanal „Schrift“ bald den Kanal „Sprache“ überholen? DREIKAUSS: Das ist bei einigen unserer Kunden bereits der Fall. Dort gehen schon heute mehr E-Mails und Chats ein als Telefonanrufe. Das hängt aber auch sehr von der jeweiligen Zielgruppe des Unternehmens ab. In jedem Fall haben aber die Kanalvielfalt und damit die Komplexität im Kundenservice enorm zugenommen. Darauf müssen sich die Unternehmen einstellen. Service-Mitarbeiter brauchen hier eine richtig gute Unterstützung durch ein intelligentes Response Management-System, das Anfragen vorqualifiziert und kanalspezifische Antworten zur Verfügung stellt, die der Service-Mitarbeiter in den meisten Fällen nur noch prüfen und freigeben muss. Die Digital Natives telefonieren nach unserer Erfahrung nicht so gern – die chatten lieber oder nutzen Social Media, wenn sie mit einem Youtube-Video nicht weiterkommen. Interessanterweise ist das aber auch die Gruppe, die besonders gerne Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder Google Assistant nutzt. Sprache als Kanal bleibt also grundsätzlich wichtig. Speech-to-Text-Anwendungen werden deshalb nach meiner Einschätzung zukünftig noch größere Bedeutung erlangen.

INTRE: Ihr Kunde bonprix beantwortet die Kundenanfragen jetzt schneller, effizienter und mit höherer Qualität. Thomas Campen, Leiter Kundenservice des deutschen Mo-dehändlers, sagt, dass die Response Management-Lösung ihren nicht gerade kleinen Ansprüchen immer entsprochen hätte. Was sind bei einem Projekt wie bonprix die Erfolgsfaktoren? DREIKAUSS: Ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor bei allen Projekten ist, dass wir nicht das Blaue vom Himmel versprechen, sondern sehr realistisch Einsparpotenziale und Effizienzgewinne aufzeigen können. Wir haben Erfahrungswerte aus rund 120 Installationen im Markt mit ganz unterschiedlichen Größen: vom kleinen nationalen Unternehmen mit bis zu zehn Service-Mitarbeitern bis hin zum internationalen Konzern mit über 10.000 Mitarbeitern in verschiedenen Ländern. Wir wissen also genau, was geht und was nicht geht. Wir klären gemeinsam mit dem Kunden in einem Workshop die Ziele, wir unterstützen bei der Implementierung, Konfiguration, beim Anlernen des Systems und bei der Anbindung von Drittsystemen. Und wir können mithilfe von Plugins den Funktionsumfang von ReplyOne auch individuell erweitern. Wir bieten also nicht nur eine Software, sondern eine Komplettlösung aus Software, Professional Service und Support.
Zum anderen ist ReplyOne hochflexibel. Unternehmen können damit ihre Kundenservice-Prozesse einfach und schnell abbilden oder optimieren. ReplyOne zwingt den Service Centern aber keinen bestimmten Workflow auf. Und last but not least: ReplyOne hat eine sehr nutzerfreundliche Oberfläche, die kaum Einarbeitungszeit braucht. Service-Mitarbeiter finden sich schnell zurecht, brauchen nur wenige Klicks und behalten immer den Überblick. Das ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiter eine solche Lösung auch wirklich effizient nutzen.

INTRE: Bei Ihrem letzten Vortrag haben Sie gesagt, dass Ihre Software 10.000 Wörter in der Sekunde lesen, analysieren und der richtigen Kategorie zuweisen kann. Ich glaube Ihnen das natürlich. Aber mein Kopf fragt sich, wie geht das? DREIKAUSS: Die Verarbeitungsgeschwindigkeit hat sich mit neuen, modernen IT-Systemen sehr deutlich nach oben entwickelt. Die Zahl ist natürlich in erster Linie im direkten Vergleich zu einem menschlichen Service-Mitarbeiter beeindruckend. Aber das ist ein bisschen wie Äpfel mit Birnen vergleichen. Man muss eher bedenken, welche komplexen Rechenoperationen und Befehle Computer heute schon in Sekundenbruchteilen durchführen können, dann rückt das die Zahl eher in das richtige Verhältnis. Die Geschwindigkeit hängt eigentlich nur von der Rechenpower ab – die richtige Kategorisierung aber in erster Linie von einer präzisen, kontextbezogenen Themenerkennung. Dafür muss das System gezielt angelernt werden. Da wir vektorbasierte Machine-Learning-Verfahren nutzen, brauchen wir nur eine geringe Anzahl von etwa 30 Dokumenten pro Kategorie, um das System anzulernen und Themen sehr präzise zu identifizieren.

INTRE: Erstmals hat es Sematell bei der funkschau Leserwahl „ITK-Produkte des Jahres 2019“ aufs Treppchen geschafft. In der Kategorie „Call und Contact Center Lösungen“ belegt das Unternehmen einen starken dritten Platz. Gratulation. Was hat die Leser begeistert? DREIKAUSS: Bei der funkschau handelt es sich um eine Leserwahl. Im Prinzip kann also jeder daran teilnehmen, der die funkschau liest oder auf den Abstimmungslink aufmerksam gemacht wurde. Auch die eigenen Mitarbeiter können ihre Stimme abgeben. Wir gehen aber davon aus, dass viele unserer Kunden und Partner aus Überzeugung für ReplyOne gestimmt haben, sonst hätten wir es nicht aufs Treppchen geschafft. Wir haben nämlich im Vergleich zu den anderen prämierten Unternehmen deutlich weniger Mitarbeiter.

http://www.sematell.com
Bild: Dreikauss copy: Schramm, Bedersdorfer copy Sematell, Bild: iStock

 


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