Junokai Tipp der Woche KW 43 – 2022

Email-Backlogs geschickt managen


1. Einleitung

Werden im Kundenservice Emails nicht im vorgesehenen Zeitraum bearbeitet, kann dies zu einem steten oder wachsenden Backlog führen. Ursachen für diesen Backlog können beispielsweise in unerwartet vielen Kundenanfragen oder einem ungeplanten Ausfall von Mitarbeitern liegen. Die Konsequenz? Längere Antwortzeiten für – im schlimmsten Fall immer mehr – unzufriedene Kunden. 

Wie kann ein allzu großer Backlog verhindert oder reduziert werden?

Um Backlogs erfolgreich zu begegnen, empfiehlt sich ein holistisches Backlog Management mit vier Säulen. Im Folgenden soll das Modell näher erläutert werden. 

2. Die vier Säulen des holistischen Backlog Managements

2.1 „Priorisierung Kunden und Anliegen“

Um im Rahmen des Backlog Managements Mitarbeiterressourcen zu fokussieren, sollte zunächst einmal ein gemeinsames Verständnis in der Organisation zu Emailprioritäten geschaffen werden. Jene Prioritäten sollten in den durch Kundengruppen und Anliegen geprägten Emailkategorien wiedergefunden werden. 

Eine Emailkategorie mit hoher Priorität könnte zum Beispiel besonders umsatzstarke Kundengruppen umfassen. Weitere Kategorien könnten auf Phasen des jeweiligen Kundenlebenszyklus basieren. In manchen Organisationen erhalten so beispielsweise treue Kunden gegenüber Neukunden eine vorrangige Behandlung.  

Darüber hinaus könnten Emails mit bestimmten Anliegen, wie etwa konkrete Kaufinteressen und Beschwerden, nach Priorität bearbeitet werden. Hierbei besteht die Möglichkeit, Anliegen über Kontaktformulare systematisch zu erfassen oder diese anhand von Schlüsselwörtern im Emailtext zu identifizieren. Manche Emails können sogar auf ein mögliches Eskalationspotential hindeuten. Durch eine hohe Priorisierung der Beantwortung mag rechtzeitig gegengesteuert werden. 

Was passiert bei einer Verletzung von Email-Prioritäten?

Eine Verletzung von Email-Prioritäten kann als Frühwarnsystem im Backlog Management dienen. In der Regel werden Soll-Durchlaufzeiten in Form von Service Level Agreements pro Emailkategorie definiert. Ein Service Level Agreement gibt an, innerhalb welches Zeitraums (z.B. Tage, Kalender-Stunden, Business-Stunden) Kunden mit einer Antwortemail rechnen können. 

Beispiel Emailkategorie „Beschwerden“

Service Level Agreement: 90/10

Bedeutung: 90% der über einen Zeitraum ankommenden Emails sollen innerhalb von 10 Business-Stunden beantwortet werden.

Werden Service Level Agreements auf Dauer nicht erreicht, häufen sich nicht beantworteten Emails an, die dann einen Backlog bilden. 

2.2 „Effiziente Emailbearbeitung“

Während Emails fortwährend effizient bearbeitet werden sollten, lohnt es sich gerade bei Backlog-Aufkommen, erneut bestehende Prozessabläufe zu hinterfragen und Zeitersparnisse für den Backlog-Abbau einzuleiten. Eine Methode ist es, langfristig oder temporär Prozessschritte auszulassen, um durch eine schnellere Emailantwort die Kundenzufriedenheit zu steigern. Weiterhin bestehen grundsätzlich in der Email-Bearbeitung beträchtliche Zeitersparnis-Potenziale durch Automatisierungen. Beispielsweise können SPAM-Emails automatisch erkannt werden, sodass sie nicht mehr manuell aussortiert werden müssen. Ähnlich können in manchen Fällen Dankes-Emails, die keine Antwort erfordern, mit Hilfe von Geschäftsregeln von einer weiteren Mitarbeiterbearbeitung ausgeschlossen werden. 

Darüber hinaus sind sogenannte „Cases“ ein bedeutsamer Hebel für Effizienzen der Emailbearbeitung. In einem Case werden Email-Korrespondenzen von einem Kunden zu einem bestimmten Anliegen gebündelt dargestellt. In Organisationen mit mehreren Kommunikationskanälen kann ein Case teilweise auch Notizen von beispielsweise Kundentelefonaten oder SMS zum Thema enthalten. Der Vorteil von Cases ist die Transparenz über die vorangegangene Kommunikation mit dem Kunden, und damit die Möglichkeit, auf gegebenenfalls verstreute Fragen mit nur einer einzigen Email zu antworten. Moderne Multikanal-CRM-Tools bieten häufig umfangreiche Funktionalitäten zur Handhabung von Cases an. Aber auch bei nicht vorhandenen technischen Möglichkeiten sollte zumindest der Versuch der Gruppierung von Emails nach Kundennummern und -namen unternommen werden. Gleichzeitig ist hier zu beachten, dass insbesondere bei Kundennamen Einbußen von Genauigkeiten der Zuordnung auftreten können. 

2.3 „Mobilisierung Kapazitäten“

Um Email-Backlogs abzubauen, können Organisationen auf unterschiedliche Weise Kapazitäten mobilisieren. Für eine fokussierte Email-Bearbeitung können zum Beispiel andere Aufgaben von Mitarbeitern depriorisiert oder auch Mitarbeiter um Überstunden gebeten werden. Darüber hinaus können weitere Kapazitäten organisationsintern oder durch erhöhte Bestellungen bei externen Contact Center-Dienstleistern erworben werden. Als temporäre Aushilfen geeignet wären hierbei vor allem Personen mit relevanten Vorkenntnissen und verwandten Skills in Bezug auf dringlich zu bedienenden Emailkategorien. Im Idealfall könnten somit Schulungen kürzer gehalten werden, ohne mit Qualitätsminderungen bei der Emailbearbeitung rechnen zu müssen.

Wie kann der Bedarf an Zusatzkapazitäten berechnet werden?

Ein Anhaltspunkt für die benötigte Höhe an Zusatzkapazitäten kann die Durchschnittsbearbeitungszeit pro Emailkategorie liefern. Wichtig: Zu beachten sind unterschiedliche Bearbeitungszeiten pro Emailkategorie. So mag zum Beispiel die durchschnittliche Bearbeitungszeit für den bloßen Versand einer Rechnung gegenüber der Klärung eines Rechnungsstreitpunkt deutlich kürzer ausfallen. 

Beispiel im Falle eines steten Backlogs

Anzahl zu beantwortenden Emails im Backlog um 8 Uhr: 300 

Durchschnittsbearbeitungszeit: 5 Min.

Benötigte Zeit zur Abarbeitung: 1.500 Min. = 25 Std.  

Anzahl Stunden 1 Full Time Equivalent (FTE) = 8 Std. 

Benötigte FTE: 3,125 

Als Erstes wird die benötigte Zeit zur vollständigen Abarbeitung des Email-Backlogs berechnet. Diese ergibt sich durch die Multiplikation der Durchschnittsbearbeitungszeit und der Anzahl an zu beantwortenden Emails. Das Ergebnis wird in benötigte Full Time Equivalents (Mitarbeiter a 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag) umgerechnet. Mit dem Ergebnis kann eine Entscheidung getroffen werden, ob diese FTE mit teaminternen oder -externen Ressourcen abgedeckt werden.

2.4 „Gezielte Kanalsteuerung“

Eine gezielte Kanalsteuerung im Backlog Management kann ein zusätzliches Wachsen von Email-Backlogs verhindern sowie deren Abbau vorantreiben. Hierbei kann sich einer sogenannten „Ventillogik“ bedient werden. Mit Schließung und Öffnen des Ventils können Volumen von Kundenemails durch Bremsen und Begünstigen von Treibern reguliert werden. Beim Backlog-Abbau werden beispielsweise Kampagnen mit erwarteten Emailrückläufen erst einmal zurückgehalten, damit Mitarbeiter sich auf den Backlog konzentrieren können. 

Eine weitere Möglichkeit der gezielten Kanalsteuerung ist die temporäre Deaktivierung von Kundenkontaktmöglichkeiten, die kurzfristigere Antworten voraussetzen. Zu diesen Kanälen zählen Chat und m.E. Social Media. Eine Abschaltung der Kanäle begünstigt, dass Kunden eigenständig online nach Lösungen für ihre Anliegen suchen (Self Help). In manchen Fällen werden jene Kunden auch bei Organisationen anrufen. Bei komplexeren Anliegen haben Telefonate gegenüber Emails den Vorteil, dass Fragen zu einer höheren Wahrscheinlichkeit bereits im ersten Kontakt gelöst werden können. Im günstigsten Fall kann auf diese Weise die Kundenzufriedenheit einerseits gesteigert werden, während gleichzeitig Organisationen Zeit sparen gegenüber der Bearbeitung von möglicherweise längeren Emailketten. 

3. Fazit

Mit seinen vier Säulen bietet das hier vorgestellte Modell des holistischen Backlog-Managements eine erhöhte Beherrschbarkeit der Bearbeitung von unplanmäßig angesammelten Emailvorgängen. 

Für ein gelungenes Backlog-Management wünsche ich Ihnen viel Erfolg!

Julia Zimpel –  Consultant

junokai

Verschlagwortet mit , , , , , , , , .