Junokai Tipp der Woche KW-8

Vertikal statt horizontal – Chancen der Stellvertretung


Was passiert, wenn ich mal vom Bus überfahren werde?

Diese Frage sollte sich nicht nur jede Führungskraft stellen, sondern jeder auf dessen Schultern Verantwortung lastet und dessen Ausfall im Unternehmen (im Team, in der Abteilung, im Verein etc.) unangenehm spürbar wäre. Dieser Tipp der Woche soll sich aber an die Führungskräfte – insbesondere im Contact Center – wenden.

Zum Glück passieren Busunfälle nicht so häufig, aber es gibt ja immer wieder Umstände anderer Art, in denen wir kurzfristig ausfallen; sei es tatsächlich ein Unfall oder ein häusliches Problem, oder auch irgendeine Erkrankung, die uns ja auch nach und unabhängig von Corona-Wellen ereilen kann. Das Problem: unsere täglichen Aufgaben bleiben liegen oder an jemand anderem hängen. Es ist schließlich keine Option, den KPI-Report für den Auftraggeber und die Umsatzaufstellung für die Chefin nicht pünktlich und in gewohnter Qualität zu liefern. Auch sollten Mitarbeitergespräche und Qualitätsmaßnahmen nicht allzu lange ruhen.

 Es ist aber erschreckend, wie häufig keine Vertretungs- oder Ausfallregelung im Vorfeld etabliert ist, also muss jemand anderes das „mal eben“ mit erledigen. Häufig ist das die Teamleitung des „Nachbarprojekts“ oder bestenfalls desselben Projektes, wenn das denn die entsprechende Größe aufweist. Eine häufige Sichtweise ist: „Die können das ja schließlich.“

Ungünstig nur, wenn die ausgefallene Führungskraft für das Telko-Retention-Projekt zuständig ist, die Vertretung sich aber in der Regel mit Reparaturservice und Technikerterminierung für Weiße Ware und exklusive Kaffeemaschinen beschäftigt und daher externes Reporting nicht ganz natürlich von der Hand geht. Auf diese relativ ungeordnete Weise werden nicht nur Ressourcen im Hamsterrad verbrannt, sondern – und das ist viel schlimmer – eine großartige Chance vertan. Die Chance für einen Menschen aus der zweiten Reihe, sich im kontrollierten Umfeld auszuprobieren und sich zu beweisen.

Es spricht einiges dafür, dass Führungskräfte ihre Stellvertretung nicht hierarchisch horizontal, also auf gleicher Ebene (Teamleitung vertritt Teamleitung etc.) etablieren, sondern vertikal, d.h. in der Riege der eigenen Direct Reports suchen.

Während das generell alles andere als revolutionär klingt und wie die natürlichste Sache im Geschäft, erstaunt es immer wieder, wie häufig eben das nicht geschieht und auf welch enorme Widerstände das stößt. Hier begegnet man zwei Argumenten:

  1. Die Person darf das nicht
  2. Die Person kann das nicht

Ad 1: Hier kommt i.d.R. der Hinweis auf andere „Verhinderungsinstanzen“ ins Spiel: die IT will die Vertretung nicht für den Reportingordner freischalten, weil der Vertreter ja eben „nur Senior Agent“ ist. Die Nachbarteamleitung „findet es nicht richtig“, eine Person aus der Linie in Herrschaftswissen einzuweihen oder der Betriebsrat hat Bedenken. Hier ist es an der Führungskraft, all diese Steine, die im Übrigen durchaus legitim sein können, aus dem Weg zu räumen, und gegebenenfalls auch die Unterstützung weiterer Vorgesetzter einzuholen. Die Argumentation, Mitarbeiterfortbildung zu betreiben, ist nicht die schlechteste.

Ad 2: Selbst schuld! Tut mir leid, aber wer ist denn für die Ausbildung und das Wachstum der Mitarbeiter verantwortlich? Wer schuldet denn denen, die sich entwickeln wollen und das Zeug dazu mitbringen, eine faire Chance? Das sind doch die Führungskräfte. Wer will, dass das Team die Kastanien aus dem Feuer holt, und die berühmte Extra-Meile geht (womit die meisten übrigens keinerlei Schwierigkeiten haben), muss auch das Prinzip der Reziprozität befolgen – sprich: etwas zurückgeben und dafür etwas zu bieten haben. Wenn man es ernst nimmt mit Stellvertretung und Ausbildung, dann sollte man offiziell eine rechte Hand auswählen und Mitarbeiter eben nicht nur Aufgaben übernehmen lassen, die selbst als langweilig empfunden werden und die wegdelegiert werden sollen. Führungskräfte sollten es zu ihrer persönlichen Aufgabe machen, der Vertretung beizubringen, was sie noch nicht kann und ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Sie wird es zu schätzen wissen.

Wer seine Vertretung so geregelt hat, kann dann auch mal in Ruhe in den Urlaub gehen; und die eigene Beförderung lässt sich auch leichter erreichen, wenn aus der Vertretungsregelung sogar eine Nachfolgeregelung werden kann.

In diesem Sinne, passt auf euch auf und kommt nicht unter den Bus!

Lars Scheffen – Senior Consultant

Junokai 

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