junokai Tipp der Woche – KW12 2021.

Prozessoptimierung – mit Process Mining und Prozesskostenrechnung bessere Entscheidungen treffen und Kostenziele erreichen


Kosten im Customer Service

Budgetorientiertes wirtschaftliches Handeln und die Optimierung der Kosten sind alltäglich in allen Bereichen der Unternehmen. Dabei steht oftmals der Customer Service mit seinen personalintensiven Abläufen besonders im Fokus.

Machen wir uns nichts vor – auch die Ansprüche der Kunden an den Customer Service sind höher als je zuvor. Durch Digitalisierung und Automatisierung besteht die Erwartung, dass die Anfragen und Anliegen, übermittelt von diversen Touchpoints über die verschiedensten Kanäle, schnellstens und mit hoher Qualität bearbeitet werden.

Die hohen Kundenerwartungen haben allerdings nicht zur Folge, dass die Kostenbudgets für diese Unternehmensbereiche ebenso in den Himmel wachsen – im Gegenteil. Zur Erreichung von EBIT und Gewinn kämpfen die verantwortlichen Führungskräfte im Customer Service oftmals mit Sparvorgaben und jährlich sinkenden Kostenbudgets, die zur Verfügung stehen.

Als Reflex folgen dann pauschale Kürzungen der Personalkosten, generelle Outsourcing Maßnahmen oder andere undifferenzierte Maßnahmen, um dem neuen Budget gerecht zu werden. Und das natürlich mit der Erwartung (oder sollte man sagen Hoffnung), dieses werde sich schon nicht so stark auf die Qualität des gebotenen Kundenservice auswirken – leider meistens ein Trugschluss. In der Realität ist das häufig der Anfang einer qualitativen Abwärtsspirale.

Prozesse und Kosten

Was kann man trotzdem tun, um zielgerichtet und nachhaltig im Customer Service ein aktives Kostenmanagement zu betreiben, ohne die Qualität der Angebote an den Kunden zu verschlechtern und damit negativ auf die Customer Experience einzuwirken?

Es kommen verschiedene Maßnahmen in Frage, die aber alle eine wichtige Voraussetzung vereint – die ausreichend genaue Kenntnis der Prozesse im Kundenservice. Dies ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg. Um eine zielgerichtete Optimierung durchzuführen, muss man Prozessverständnis schaffen, implizites Wissen aufdecken und bestehende Prozesse harmonisieren können.

Prozesskostenrechnung statt Zuschlagskalkulation

Nur wenn die Abläufe und Prozesse zu Kundenauftragsabwicklung, Reklamation und Beschwerde, Zahlung und Bonität also ausreichend bekannt sind, kann zielgerichtet optimiert werden. Um dann den Service in Hinblick auf die Kosten weiterentwickeln zu können, müssen auch die detaillierten Kosten für diese Prozesse ermittelbar sein.

Um den Aufwand der Messung und Erfassung der direkt verursachten Kosten in den Prozessen im Rahmen zu halten, ist der Einsatz eines modernen Process-Mining-Tools angeraten. So können die Ist-Verläufe aller Prozesse und auftretenden Kundenvorgängen genau mitverfolgt werden, ohne dass gesonderte Data-Mining-Anwendungen aufgesetzt werden müssen.

Wir reden hier also über eine Prozesskostenrechnung, die von der häufig verwendeten pauschalen Zuschlagskalkulation für indirekte Unternehmensbereiche abweicht und eine verursachungsgerechte Kostenzuordnung von bestimmten Services ermöglicht. Mit der Prozesskostenrechnung sollen die Aufwände, die ein Prozess im Customer Service verursacht, möglichst genau ermittelt werden. Damit werden Kostenstrukturen und Kostentreiber transparenter und Optimierungsentscheidungen in den Serviceabteilungen zielgerichtet und effektiv.

In Projekten zur Anwendung der Prozesskostenrechnung haben sich folgende Meilensteine bewährt:

Schritt 1: Anwendungsbereich der Prozesskostenrechnung bestimmen

Die dauerhafte Einführung der Prozesskostenrechnung ist zunächst einmal relativ aufwendig, da zur Abbildung der Prozesslandschaft ein Process-Mining Tool implementiert werden sollte. Es sollte sehr genau geprüft werden, für welche Serviceprozesse sich die Anwendung lohnt und eignet. In den Fokus treten dabei besonders die sich häufig wiederholenden und relativ gleichartig auszuführenden Prozesse wie z.B. bestimmte wiederholende Anforderungen der Kunden, bestimmte Reklamationsarten, sich monatlich wiederholende Anforderungen, Preis- und Angebotsanfragen. Folgende Fragen können u.a. hilfreich sein für die Auswahl:

Bei welchen Prozessen lassen sich durch Optimierungen kurzfristige schnelle Kosteneinsparungen realisieren?
Wo entsteht ein Großteil der Gemeinkosten im Kundenservice?
Welche Serviceprozesse haben Potential für ein künftiges Outsourcing?
Welche Servicebereiche beeinflussen die Customer Experience besonders?
Welcher Serviceprozess verläuft über mehrere Abteilungen?

Schritt 2: Ermitteln der relevanten Prozesse/Teilprozesse im Kundenservice

Ausgangspunkt der Prozesse sind die Tätigkeiten und Aktivitäten der Mitarbeiter, um die jeweiligen Serviceanfragen zu bearbeiten. Diese Aktivitäten werden zu Teilprozessbeschreibungen zusammengefasst und systematisch dokumentiert. Der dokumentierte Teilprozess identifiziert dann im Sinne der Prozesskostenrechnung:

die Ressource, die zur Erstellung genutzt wird (z.B. „ein Mitarbeiter des Kundenservice“)
die Merkmale und Rahmenbedingungen, wie die Serviceanfrage zu erledigen ist
die Bearbeitungs- und Durchlaufzeit (also z.B. „30 in Bearbeitungszeit und 4 Stunden Wartezeit an der Schnittstelle zur nächsten Abteilung“)
das gewünschte Ergebnis, das den Teilprozess abschließt (also z.B. „Rechnungskopie wird versendet“).

Schritt 3: Ermitteln der Werte der anfallenden Kosten und der Kostentreiber

Jetzt werden zu jedem dokumentierten Teilprozess die zugehörigen Ressourcen identifiziert. Zu diesen Ressourcen gehören hauptsächlich die betreffenden Mitarbeiter, die diesen Teilprozess erledigen und die Gesamtkosten, die dadurch entstehen. Weiterhin könnten aber auch Sachkosten eine Rolle spielen, welche im betreffenden Teilprozess anfallen. Sofern durch die Wartezeit eines Teilprozesses im Übergang zur nächsten Abteilung Kosten entstehen, müssen diese ebenfalls beziffert werden. Die resultierenden Gesamtkosten werden pro Teilprozess in eine Verrechnungseinheit pro Zeiteinheit (in der Regel pro Minute) umgerechnet. Kostentreiber in Serviceprozessen sind in aller Regel z.B. die Menge der eingehenden Anfragen oder die Anzahl an Tickets und Vorgänge, die erledigt werden müssen.

Schritt 4: Implementierung dieser Prozesse in einem Process Mining-Tool

Anhand von zeitlichen Verlaufsdaten (Zeitstempel), welche aus den im Prozess verwendeten elektronischen Systemen (CRM, ERP etc.) extrahiert werden, kann nun eine Prozesslogik im Process-Mining-Tool aufgebaut werden. Die Implementierung der fokussierten Teilprozesse bringt damit dem operativen Kostencontrolling die nötigen Datenwerte. So ist es möglich, jeden Teilprozess mit den täglich im Service anfallenden Kundenvorfällen im Ist-Zustand zu überwachen und vor allem die zeitlichen Kennzahlen abzulesen. Diese werden dann für die genaue Kostenzuordnung bezüglich der Mitarbeiterressource genutzt. Es empfiehlt sich, mit einigen wenigen Teilprozessen zu beginnen, Erfahrungen zu sammeln und dann nach und nach weitere Teilprozesse zu implementieren.

Schritt 5: Prozesse analysieren und Prozesse mit größten Einsparpotential identifizieren

Aufgrund der Überwachung der Teilprozesse im Process Mining Tool kann nun durch vielfältige Betrachtungsmöglichkeiten der Teilprozess intensiv analysiert werden. Die in Schritt 2 ermittelte Verrechnungseinheit wird mit der verbrauchten Zeit des Teilprozesses/der Kundenanfrage multipliziert. Als Ergebnis erhält man einen äußerst genauen Verrechnungssatz für die „verbrauchte Teilprozess-Minute“.

Mögliche Fragestellungen zur weiteren Analyse können z.B. sein:

Wie oft pro Zeiteinheit trat diese Anfrage auf?
Welche Kosten sind (im Durchschnitt pro Zeiteinheit oder auf die einzelnen Anfragen gesehen) entstanden?
Welche Teilprozesse sind kosteneffizient?
Welche Teilprozesse sind die Hauptverursacher der Gesamtkosten?

Schritt 6: Optimierungsmaßnahmen der priorisierten Prozesse/Teilprozesse vornehmen

Für die Optimierung von Prozessen gibt es zahlreiche Techniken und mögliche Vorgehensweisen. Wie man sinnvollerweise dabei vorgeht und welche Schritte notwendig sind, kommt immer auf die Art des Prozesses und die Problemstellung an. Ergibt sich aus der Analyse Optimierungspotential für viele Serviceprozesse gleichzeitig, so ist die Konzentration auf zunächst einige wenige Optimierungsvorhaben geboten. So können sich knappe personelle Ressourcen auf die Lösung von wenigen parallelen Optimierungsvorhaben konzentrieren und der Kostenoptimierungserfolg ist wahrscheinlicher. Kostenoptimierungsansätze in Serviceprozessen sind z.B. häufig:

Reduzierung der Durchlaufzeit für einen Kundenvorgang
Reduktion von Wartezeiten der Kundenvorgänge
Konzentration der Bearbeitung auf weniger durchlaufende Abteilungen
Sicherstellung des gemeinsamen Verständnisses von Kunde und Unternehmen, was bei welchen Anfragen notwendig ist
Eliminierung von unnötigen Teilprozessen, die keinerlei Nutzen bringen
Eliminierung von Serviceangeboten, die vom Kunden nicht bezahlt werden
Erhöhung der Durchlaufmenge von Kundenanfragen pro Zeiteinheit durch (Teil-) Automatisierung
Reduzierung der Anfragemenge durch Vermeidungsstrategien.

Schritt 7: Kostencontrolling auf Basis der Prozessleistungsanalyse aus dem Mining-Tool etablieren

Die beschriebenen Optimierungen können nun auf Basis der Daten aus dem Process Mining für alle relevanten Serviceprozesse durch entsprechende KPIs dauerhaft sichergestellt werden und in beliebigen Intervallen ergänzt oder modifiziert werden. Nach und nach können weitere Prozesse in die Überwachung aufgenommen werden, so dass eine immer höhere Transparenz bezüglich der Gesamtperformance respektive der Gesamtkosten erzeugt wird. Damit ist ein zielgerichtetes Optimieren der Serviceangebote im Customer Service möglich.

Fazit

Die Anwendung der Prozesskostenrechnung ist sinnvoll für Prozesse im Kundenservice, die sich wiederholen, homogen sind und in ausreichender Anzahl auftreten. Die Process Mining Technologie ermöglicht es uns, die Prozesskosten mit vertretbarem Aufwand aufkommensgenau zu erfassen, indem es die operativen Daten analysiert.

Bei der großen Menge an Informationen bezüglich der Zahlen und Kosten und der umfassenden Analyse der Prozesse gilt es, die Erkenntnisse in Maßnahmen zur Verbesserung der Prozesse zu übersetzen. Hier erreichen viele Unternehmen nicht immer das, was möglich wäre und sind enttäuscht, wenn sich die wirtschaftlichen Erfolge hinsichtlich der Kostenreduktion nicht einstellen. Es gilt daher sich zu fokussieren und die Optimierungen anhand einer Prioritätenliste abzuarbeiten, um die involvierten Mitarbeiter nicht zu überfordern.

Wer die Prozesskosten-Rechnung nicht nur einmalig nutzt, sondern dauerhaft betreibt, hält seinen Customer Service fit für den Wettbewerb und beugt einem automatisch wachsenden Gemeinkostenbudget vor.

Mehr Transparenz bei den Kosten führt in vielen Fällen dazu, dass die Mitarbeiter selbst größeres Kostenbewusstsein entwickeln. Sie erkennen, welche Faktoren für den Umfang Ihrer Arbeit im Customer Service und für die entstehenden Kosten entscheidend sind.

Michael Fürst –  Berater

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