junokai Tipp der Woche – K1 2021.

Was ein Kundenservice-Mitarbeiter wirklich können muss.


Das Aktuellste in der heutigen Welt des Kundenservice, die Themen, über die alle sprechen und die alle auf der Agenda haben oder glauben haben zu müssen, sind oftmals sehr technischer Natur: Chatbots, künstliche Intelligenz, Robotics beispielsweise. Mit Recht, denn durch den gezielten, durchdachten und sinnhaften Einsatz dieser Werkzeuge können Sie Ressourcen und Kosten sparen, Service verbessern und Ihre Kunden zufriedener machen.

Kein Jahr und keine Call Center World vergeht ohne neue, bahnbrechende Innovationen (oder manchmal leider auch nur ohne alten Wein in neuen Schläuchen, der aber fancy und hip als DIE neue Technologie beworben wird, die Sie unbedingt haben müssen).

Die Schlüsselkomponente im Kundenservice ist und bleibt (vorerst) der Mensch

Was wir dabei nicht vergessen dürfen: In den Kundenservices der meisten Unternehmen stellt der persönliche Kontakt immer noch den Großteil aller Kundeninteraktionen – und das wird sicherlich noch einige Zeit so bleiben. Wir sprechen hier von der Bearbeitung schriftlicher Kontakte (allen voran E-mails und Chats, die ein Bot nicht oder noch nicht lösen kann) und vor allem von Telefonaten. Der Mensch ist heute (und wird das auf absehbare Zeit auch noch sein) in den meisten Unternehmen die wichtigste Ressource, um für Ihre Kunden da zu sein.

Selbstverständlich werden Sie Ausnahmen finden. Junge Unternehmen, die ihren Service von vornherein so digital und schlank aufgestellt haben, dass tatsächlich vieles im Self Service oder mit Bots funktioniert. Oft haben solche Unternehmen ein eher schmales, spitzes, definiertes Produktportfolio und ebensolche Prozesse. Doch unter uns: Diese Vorbilder sind zwar spannend und innovativ, aber noch vergleichsweise selten.

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Was muss also ein Kundenservice-Mitarbeiter, ein Callcenteragent, der Kern Ihres Kundenservice, denn aber nun wirklich können? Was sind sein Core-Kompetenzen? Was sind seine echten und allem zugrunde liegenden Skills, was zeichnet ihn gegenüber anderen Berufsgruppen wie Bäcker, Installateur oder Verwaltungsfachangestellten aus?

Viele Unternehmen legen beim Recruiting den falschen Schwerpunkt: Fachwissen

In unserer Beratungspraxis erleben wir oft, dass bei der Auswahl von Service-Mitarbeitern diese Fragen vorab nicht gestellt oder die falschen Antworten gefunden wurden. Denn es wird beim Recruiting oftmals versucht, die Mitarbeiter zu finden, die augenscheinlich die fachlich besten Voraussetzungen für den späteren Service mitbringen. Das sind beispielsweise für den technischen Service eines Telekommunikationsanbieters Kandidaten, die sich gut mit Mobiltelefonen, Apps oder DSL-Routern auskennen, die vielleicht echte Techniknerds sind. Oder es sind in der Welt der Energieversorger ehemalige Techniker, die nun im Büro weiterarbeiten möchten oder sollen – denn die sind meist mit allen Feinheiten von „Verkabelung“, „Verrohrung“ und den Inhalten von Schaltkästen und -schränken vertraut.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Selbstverständlich ist ein grundlegendes Verständnis der jeweiligen Materie, also zum Beispiel von technischen Zusammenhängen in einem technischen Kundenservice, sinnvoll und wichtig. Aber ist das die Kernkompetenz, nach der wir suchen und die unsere Bewerberauswahl bestimmen sollte?

Die Kernkompetenz eines Kundenservice-Mitarbeiters ist: Kommunikation

Ja, selbstverständlich, werden Sie jetzt sagen. Es ist ja auch so naheliegend. Sind wir uns jedoch wirklich immer im Klaren, was das bedeutet und warum das so ist? Die Wahrheit ist: Gute Kommunikationsfähigkeiten sind DER Schlüssel zu all den Zielen, die im Kundenservice wichtig sind:

  • Kurze Gesprächszeit / AHT: Gespräche sind meist dann kurz, wenn der Mitarbeiter in der Lage ist, das Gespräch proaktiv zu führen, die Struktur vorzugeben und gut zu erklären. Das beinhaltet eine gezielte und durch Fragen geführte Bedarfsanalyse und eine nachvollziehbare, strukturierte, zielgruppengerecht formulierte Beratung.
  • Hohe (Erst)Lösungsquote: Gut geführte Beratungsgespräche (und hier geht es nicht um möglichst viele oder möglichst detaillierte fachliche Inhalte, sondern um ein gutes zielgruppengerechtes Gespräch) führen häufiger zur Lösung des Anliegens.
  • Hohe Kundenzufriedenheit: Es versteht sich fast von selbst, dass Kunden mit gelösten Anliegen und einem positiven Serviceerlebnis zufriedener sind als Kunden, die einem fachlich hochversierten, aber einsilbigen Agenten erst alle wichtigen Informationen „aus der Nase ziehen“ mussten.
  • Guter Sales-in-Service: Ein Beratungs- oder Servicegespräch, in dem der Kunde sich verstanden und gut aufgehoben fühlt und in dem sein initiales Anliegen gelöst wurde, ist die beste Grundlage für Verkaufserfolge. Eine Binsenweisheit, möchte man meinen.

Und was ist mit den fachlichen Inhalten, könnten Sie jetzt – berechtigterweise – fragen? Die müssen Sie ihren Mitarbeitern natürlich auch beibringen, beziehungsweise sie in geeigneten Wissenstools zur Verfügung stellen. Ohne eine vollständige und nachvollziehbare Dokumentation von Fachwissen, Prozessen und Abläufen geht es nicht. Und selbstverständlich ist es wichtig, Ihre Mitarbeiter regelmäßig und intensiv zu Produkten und Prozessen zu schulen bzw. sie weiterzubilden.

Bedenken Sie aber: Einem Mitarbeiter mit einem gewissen technischen Grundverständnis können Sie vergleichsweise einfach die Spezifika Ihres Unternehmens und Ihrer Produkte vermitteln, und es ist letztlich egal, ob es sich dann um technischen Service für Mobiltelefone, Streamingdienste oder Kühlschränke handelt. Einen Mitarbeiter, der sich nicht ausdrücken kann oder der sich sehr schwer damit tut, ein Gespräch mit einem Fremden strukturiert und nachvollziehbar zu gestalten, werden Sie eher unwahrscheinlich zu einem Kommunikationsprofi machen.

Was sind „gute Kommunikationsfähigkeiten“? Einige Beispiele für Kommunikations-Kompetenz

Wir begeben uns hier auf ein weites Feld, ein sehr weites. Und ich gebe zu, ich bin kein ein Kommunikationstrainer. Ein paar grundlegende und wichtige Stichworte für gute Kommunikationsfähigkeiten eines Kundenservice-Agenten möchte ich Ihnen trotzdem aufzählen:

  • Aktives Zuhören, W-Fragen stellen, das Gespräch aktiv führen und steuern
  • Einfachheit und Klarheit in der Kommunikation
  • Struktur in der Kommunikation (Beispiel: Wie nennt man Ziffernfolgen so, dass man sie bestmöglich versteht? „015254065011“ oder „01 525 406 50 11“?)
  • Erklären mit Analogien
  • Freundlichkeit und Höflichkeit
  • Die ELI5-Fähigkeit („explain it like I’m five years old“)
  • Die Problem-Lösung-Nutzen-Kommunikation
  • Die „Weil“-Begründung

Diese Liste ist sicherlich nicht abschließend und ließe sich beliebig fortsetzen. Worum es geht: Ein Mitarbeiter, der grundsätzlich in der Lage ist gut, sicher und nachvollziehbar zu kommunizieren und gewisse Kommunikationstechniken entweder beherrscht oder sich leicht aneignen kann, wird letztlich deutlich stärker auf Ihre Serviceziele einzahlen. Kommunikationsfähigkeiten hängen stärker von persönlichen Talenten und Eignungen ab als fachliche Fähigkeiten und sind schwerer und aufwendiger zu trainieren. Und sind zugleich der versteckte, mächtige Schlüssel zu einem erfolgreichen Kundenservice. Ein Schlüssel, der immer noch häufig hinter viel einfacher zu erkennendem und prüfbarem Fachwissen versteckt ist.

Die richtigen Recruiting-, Trainings- und Weiterbildungsschwerpunkte setzen

Bill Quiseng (www.billquiseng.com), ein ziemlich bekannter Kunderservicefachmann und -Blogger, beschreibt es so:

„Die erfolgreichsten Unternehmen investieren kontinuierlich in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter, um deren Soft Skills, wie beispielsweise aktives Zuhören oder Einfühlungsvermögen, zu fördern.“

Denken Sie beim Recruiting von Service-Mitarbeitern also auch immer an deren Kommunikations-Skills. Sie sind die wahre Grundlage für guten Service und sind schwerer zu vermitteln als Fachwissen.

Viele Unternehmen neigen dazu, sowohl beim Recruiting als auch später in Training, Coaching und Weiterbildung der Fokus vor allem auf Fachliches zu legen. Produkte, Preise, Prozesse. Das ist nachvollziehbar, denn das ist einfach, diese Dinge sind meist klar erkennbar, sie können sie „wiegen und messen“. Das ist mit den „weichen“ Faktoren der Kommunikation oftmals schwieriger und bedarf auch bei Teamleitern, Trainern und Coaches entsprechender Fähigkeiten.

Nehmen Sie sich beispielsweise vor, bei der Mitarbeiterauswahl ganz bewusst auch auf die Ausdrucksfähigkeit eines Bewerbers zu achten, und bewerten Sie die weichen Faktoren der Kommunikation gleichwertig zu den harten Facts des Fachwissens oder der fachlichen Eignung.

Nehmen Sie sich beispielsweise vor, speziell in  Coachings und Trainings ganz bewusst neben den harten Fakten auch immer gleich die passenden Argumentationshilfen, Erklärungen und Formulierungen mit zu beleuchten.

Gerhard Klose –  Senior Berater

www.junokai.de


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