Ludger Strom, Managing Director DACH bei © Gobeyond Partners

Künstliche Intelligenz – trifft menschliche Empathie

Alle reden über Künstliche Intelligenz (KI). Mit Ludger Strom, Managing Director DACH bei Gobeyond Partners, reden wir heute über das, was wirklich wichtig ist. Seit mehr als 24 Jahren schlägt sein Herz für die Entwicklung exzellenter Customer Journeys, die er als Basis von Omnichannel-Design und Automatisierung nutzt. Und dabei ist KI nur ein Thema.


INTRE: Warum werden seit einigen Jahren KI und Bots als das neue Must-have gelobt und doch sieht man kaum richtig gute Bots auf dem Markt?  STROM: Es gibt gute Bots, sie sind auf unserem Markt nur einfach nicht so oft verbreitet. Das hat mehrere Gründe. Da ist beispielsweise die Größenordnung des deutschsprachigen Raums, der mit 83 Millionen Deutschen, einigen Österreichern und Schweizern nur ein begrenztes Volumen an Native Speakern hat. Dadurch sind die Business Cases bei Chat- und VoicebotProjekten selten positiv. Dabei bietet sich die deutsche Sprache für die Automatisierung an, weil sie eben weltweit schwer einzufangen ist.

INTRE: Wieso nutzen wir dann nicht internationale Lösungen?

STROM: Die sind richtig spannend, aber noch spannender wird es, wenn das in Voice aus der EU für die EU funktioniert. Ich habe mit Chat-Anbietern über eine Voice-Lösung gesprochen und mir wurde eine App basierend auf Siri gezeigt – aber ich glaube nicht, dass viele deutsche Unternehmen Siri dafür nutzen wollen, weil sie dann die gesamte Kundenkommunikation über die Server von Apple laufen ließen. Wir bräuchten also eine Sprachverarbeitung von der EU für die EU – oder noch viel besser eine aus und für den deutschsprachigen Raum. Ich weiß, dass es dazu Forschungen und Projekte gibt, wir sind mit einem Forschungsinstitut im Gespräch.

 

INTRE: Wie würde denn ein halbwegs intelligenter Bot aus sehen?

STROM: Ein gutes Beispiel ist WISMO – where is my order. Ein Kundenberater identifiziert mich mit Kun den- und Bestellnummer und macht sich dann im System auf die Suche. Er findet die Bestellung, das Produkt und schickt mir im Anschluss einen Tracking-Link. Das kann ich automatisieren mit einem System, das Zugriff auf relevante Backends hat. Kundenberater brauche ich nur als Rückfalllösung. Aber dieses Sicherheitsnetz ist wichtig! Der „dumme Bot“ hat die Frage zweimal nicht verstanden? Dann wird der Kunde an einen Menschen geroutet. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, ein Chat-Team muss da sein, wenn der Bot da ist.

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Wir bräuchten
eine Sprachverarbeitung von
der EU für die EU – oder noch
viel besser eine aus und für den
deutschsprachigen Raum.

 

INTRE: So richtig eigenständig klingt das ehrlich gesagt noch nicht …
STROM: Viele Unternehmen müssen verstehen, dass das eben nicht von jetzt auf gleich funktioniert. Das braucht Zeit. Ein Bot muss weiterlernen und auch nach seiner Einführung durch ein Projektteam weiterentwickelt werden. Die Technologie kann viel. Das System generiert Antworten oder gibt standardisierte Textbausteine, Links oder PDF-Dateien aus. Schritt für Schritt kann man so Teilprozesse ersetzen. Und parallel können wir Themenfelder von E-Mail zu Chat verlagern, dort teilweise automatisieren und dann konsequenterweise den E-Mail-Kanal abschalten und nur noch für individuelle Eskalationen oder Sonderfälle nutzen. Es gibt mehr und mehr Unternehmen, die diese Entscheidung treffen.

 

INTRE: Warum den E-Mail-Kanal überhaupt durch Chat ersetzen? STROM: Weil in einer E-Mail sehr viele Themen untergebracht werden (können). Da fallen Automatisierung und zielgerichtete Zuordnung schwer. Im Chat habe ich die Themen hintereinander und kann sie einzeln thematisch zuordnen. Der Bot leitet den Kunden durch den Dialog, während die Unterhaltung gleichzeitig mit Key words strukturiert wird.

 

INTRE: Aber lässt sich eine sprachenabhängige Lösung auch so einfach im Ausland einsetzen? STROM: Gerade bei multinationalen Projekten wird das spannend! Wir ha ben ein Produkt, das nennt sich Polyglot – das nutzt bereits ein großer Anbieter von Sportartikeln. Die Chatanfragen werden automatisch ins Englische übersetzt, die ein englischsprachiges Expertenteam in Indien beantwortet. Die Antwort wird dann automatisch wieder in die Ausgangssprache übersetzt. Der Kunde selbst merkt von diesem Prozess aber nichts. Das lässt sich übrigens auch mit E-


INTRE: Das rückt die traditionelle Serviceorganisation in ein ganzes anderes Licht – und eröffnet neue Wege. STROM: Klar, das funktioniert nämlich auch in anderen Sprachen. Beispielsweise ist es möglich, dass ein deutschsprachiges Team Kundenanfragen aus Ländern beantwortet, für die sich noch nicht der Aufbau eines ganzen Teams lohnt, weil das Volumen noch nicht groß genug ist. Ich muss also heute keine Serviceorganisation mehr nachziehen, wenn ich in einen neuen Markt einsteigen will. Beispiel: Der Finne tippt finnisch, chattet aber mit einer deutschen Kundenberaterin in ihrer eigenen Sprache. Erst wenn sich eine eigene Line of Business in Finnland lohnt, kann ich das mit einem Team aus Finnen zusammenstellen – und mit unserem Anywhere-Approach dann auch gleich weltweit skalieren, je nachdem, wo die Menschen verfügbar sind.Mails umsetzen, dann können wir einen Quality Check mit einem Native Speaker dazwischenschalten.

 

INTRE: Und was sagt die Projekterfahrung? STROM: Wir haben ein spezialisiertes Technologie-Team in UK, das zahlreiche Projekte aufgesetzt hat, und ein Schwesterunternehmen, das sich um die technische Umsetzung von Chatbots, RPA und Programmierung kümmert. Wir müssen das Rad ja nicht immer in jedem Land neu erfinden. Wir können auf bereits automatisierte Übersetzungssoftware wie das erwähnte Polyglot und auf unser eigenes Technologiesowie Analytics-Team zurückgreifen.

 

INTRE: Ist die Automatisierungswelle noch nicht richtig aufgebaut oder ist es wieder mal ein Trend, der von den Technologen getrieben wird? STROM: Um richtig zu automatisieren, müssen sich KI, Operations und Sprache verbinden. Das ist, was wir im Customer Service wirklich brauchen. Kein technologiegetriebenes Wellenreiten. Erst, wenn wir verlässlich Sprache automatisieren können, wird sich ein grundlegender Wandel im Call Center einstellen. Ich kenne Studien, die zeigen, dass über die Jahre die Bereitschaft der Kundinnen und Kunden zunimmt, sich lieber mit virtuellen Assistenten als mit echten Menschen auseinanderzusetzen. Andererseits sollten wir automatisierte oder Bot-Lösungen immer als Unterstützung der Menschen in der Kommunikation begreifen, und nicht als Ersatz.

 

INTRE: Werden wir doch mal ganz praktisch: Welche Voraussetzungen brauchen Unternehmen denn, um von KI und Bots zu profitieren? STROM: Wille, Budget, Zeit und Ressourcen.

 

INTRE: Können Unternehmen, die keinen Chatbot anbieten wollen oder können, überhaupt von einer Omnichannel-Strategie sprechen? STROM: Omnichannel bedeutet nicht, dass alle menschenmöglichen Kanäle auf Biegen und Brechen angeboten werden müssen. Die grundlegende Frage muss aber immer sein: Welche Servicestrategie verfolgt das Unternehmen und welche Kanalstrategie ergibt sich daraus?

 

INTRE: Und wenn sich Unternehmen gegen einen Kanal entscheiden? STROM: Die Entscheidung sollte davon abhängen, wie sich das Unternehmen positioniert und wo ich meine Kunden abholen muss. Privatkunden erreiche ich vielleicht über den Facebook Messenger, aber was ist mit B2B-Kunden? Die werde ich nicht auf Instagram oder WhatsApp erreichen, sondern eher über einen Web-Chat. Wichtig ist, dass ein schlecht umgesetzter Kanal schlimmer ist als gar keiner. Alle Kanäle, die ich als Unternehmen anbiete, muss ich immer gut anbieten.

 

INTRE: Wenn Omnichannel nicht die Vielfalt der Kanäle ist, was ist es dann? STROM: Omnichannel heißt, dass ich alles aus einem Tool heraus abwickle. Ich habe also ein System für alle Kanäle, das entsprechend konsistentes Reporting und Management ermöglicht.

 

Erst, wenn wir verlässlich
Sprache automatisieren können,
wird sich ein grundlegender Wandel
im Call Center einstellen.

 

INTRE: Sind wir in Deutschland, Österreich und der Schweiz eigentlich immer noch ein bis zwei Jahre hinter der Entwicklung im angelsächsischen Raum zurück? STROM: Gobeyond Partners gibt es erst seit zwei Jahren in Deutschland. Hier wird alles in deutscher Gründlichkeit diskutiert, analysiert und abgewogen. Ist das unbedingt schlecht? Nein, aber wir dürfen uns nicht wundern, dass wir seit Jahren über KI und Bots sprechen und uns jedes Jahr aufs Neue darüber wundern, warum es noch nicht so viele davon gibt. Wir gehen das in der DACH-Region einfach etwas gründlicher an. In UK wird beispielsweise alles etwas schneller umgesetzt.

 

INTRE: Gibt es noch andere Gründe, die diesen Zustand begünstigen? STROM: Mein Eindruck ist, dass manche Länder und Menschen einfach technologieaffiner sind als andere. Ins Ausland zu schauen, bringt uns aber nicht weiter. Was mich stattdessen umtreibt: Wie können wir unsere Erfahrungen aus UK für unsere deutschsprachigen Kunden nutzen?

 

INTRE: Blicken wir in die Zukunft: Wie sieht es mit KI und Voice aus? Hier kommunizieren die meisten Menschen doch mit einer Maschine eher unnatürlich. STROM: Seit Corona ist es allzu selbstverständlich, dass ich in einer Hotline lange warten muss. Überall wird auf ein momentan hohes Anrufaufkommen verwiesen. Das geht auch anders, eben mit der Mensch-Maschine-Kommunikation bei Standardanfragen. Mit der richtigen Automatisierung werden Organisationen gar nicht mehr bis an ihre Belastungsgrenze getrieben und der Kunde bekommt eine sehr schnelle Antwort. Dann spielt es auch keine Rolle, ob es ein Mensch oder eine Maschine war, die mir geholfen hat.

 

INTRE: Selbst, wenn es funktioniert: Wollen die Menschen mit Maschinen kommunizieren – auch wenn das Teil einer Omnichannel-orchestrierten Customer Experience ist? STROM: Immer dann, wenn es gut gemacht ist, machen wir es wieder. Immer dann, wenn es nicht funktioniert, schreckt es uns ab. Wer bucht zum Beispiel heute noch einen Flug in einem Service Center oder ruft dafür ein Call Center an? Websites und Apps liefern hier eine so überzeugende Customer Experience, dass die Kunden diese Kanäle gerne nutzen. Erst wenn etwas online nicht funktioniert, will ich mit einem Menschen sprechen, der mir sofort eine Lösung bietet und keine FAQs eines Bots oder Links zu Communities. Das ist dann die Definition von schlecht gemachtem Kundenservice.

 

Omnichannel bedeutet nicht,
dass alle menschenmöglichen Kanäle
auf Biegen und Brechen angeboten
werden müssen.

 

INTRE: Was leistet der externe Berater wie Gobeyond Partners auf dem Weg zur Einführung der richtigen Servicestrategie? STROM: Die Strategie ist die Grundlage für das gesamte Operating Model. Es geht darum, einheitliche Customer Journeys zu entwickeln und zu implementieren. Hier bringen wir als Berater die Erfahrung aus unterschiedlichen Projekten aus dem internationalen Umfeld mit. Wir haben mit einer englischen Universität ein Operating Model entwickelt und schon vielfach in der Beratung eingesetzt. Es umfasst alle Aspekte des Service-Designs und der Kern ist die Service-Strategie.

 

INTRE: Das ist die rein konzeptionelle Arbeit. Was ist mit der Umsetzung selbst? STROM: Das gehört zu unserem Beratungsauftrag natürlich dazu – da helfen wir mit Programm- und Projektleitung, können weitere Experten dazu holen, sei es zum Beispiel, dass wir mit Analytics-Projekten tiefer eintauchen und das Reporting neu aufbauen, oder, dass unsere Technologieberater den Chatbot designen, entwickeln und implementieren. Das und mehr kann Beratung leisten. Ich sage immer: kann, denn eine Beratung kaufe ich nicht auf Verdacht. Sondern genau dann, wenn ich weiß, wo ich Hilfe brauche und ich dem Berater vertraue, dass er mein Problem löst.

 

GOBEYOND PARTNERS
Gobeyond Partners ist ein neuer Typ von Beratungsunternehmen und Partner, wenn es darum geht, komplexe Customer Journey-Herausforderungen zu meistern. Indem wir tiefgreifendes Branchen-Know-how mit einem mehrfach ausgezeichneten Konzept für Kundenservice und -nutzen kombinieren, erwecken wir Transformationsvisionen zum Leben. Als Teil der Webhelp Group wissen unsere Experten, worauf es bei einer großartigen Customer Experience ankommt. Wir verbinden Design und Transformation mit der realen Welt und bewirken gemeinsam mit unseren Kunden nachhaltige Veränderungen. Unser einzigartiges Verständnis für die Customer Journey ist weitreichender und umfassender, sodass wir unsere Kunden dabei unterstützen, veraltete Organisationsstrukturen aufzubrechen und eine ineinandergreifende Omnichannel Customer Experience zu entwickeln. Jeder Kunde und jeder Kontakt sind entscheidend und jedes Ziel ist garantiert.
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