(c) Gordelik_soravit | Iris Gordelik, Geschäftsführung

Nun geht es also doch! Und sogar noch mehr.

„Das funktioniert bei uns nicht“, „Unser Geschäft ist People Business“, „Die Steuerung ist so nicht möglich“, „Motivation geht nur persönlich“, „Das ist schlecht fürs Betriebsklima“, „Das geht aus Datenschutzgründen nicht“. Das ist eine kleine Aufzählung der Contra-Argumenten, die ich seit Jahren höre, wenn es um das Thema Homeoffice geht. Wobei es zu diesem Begriff eine Reihe von Synonymen gibt: Work at home, Telearbeit, mobiles Arbeiten, Heimarbeit. Im Kern geht es immer darum, ganz oder teilweise eben nicht im Büro seines Arbeitgebers zu arbeiten.

Eben dieses Nicht-vor-Ort-Sein war Arbeitgebern meist ein Dorn im Auge. Ganz besonders in führungsintensiven Contact Centern, wo es unabdingbar schien, dass der verantwortliche Vorgesetzte physisch greifbar ist. Auf der anderen Seite ist die Möglichkeit, flexibel auch mal nicht im Büro zu arbeiten, für die meisten Führungskräfte ein wichtiger Teil der Arbeitszufriedenheit und Arbeitgeberattraktivität. Wurde ich als Personalberaterin früher von Kandidaten zuerst nach einem Firmen-Pkw gefragt, so ist es heute nahezu immer die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten. Und so entging so manchem Unternehmen auch wertvolles Führungskräftepotenzial – ein deutliches Dilemma also zwischen Angebot und Nachfrage.

Und auch wenn es in der Contact Center-Welt schon seit vielen Jahren immer wieder mal Projekte, Abteilungen oder auch ganze Unternehmensgründungen gibt, die Homeoffice verstärkt ausbauen sollen oder als Businessmodell vermarkten, so sind diese Bereiche, gemessen am Gesamtvolumen des Marktes, lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein gewesen.

In der Kundenservicewelt gab es nur die Wahl zwischen Kurzarbeit – also die Arbeit niederlegen – oder Homeoffice – also weiterarbeiten.

Tja, und dann kam Corona und innerhalb weniger Tage und Wochen sah die Welt auf einmal völlig anders aus. In der Kundenservicewelt gab es nur die Wahl zwischen Kurzarbeit – also die Arbeit niederlegen – oder Homeoffice – also weiterarbeiten. Nebenbei bemerkt: Ich weiß von ein paar Firmen, die haben ihren Kundenservice quasi komplett geschlossen. Mein Kopfschüttelmuskel wurde hier wirklich überstrapaziert. Aber die meisten Call Center waren erstaunlich schnell und, sofern ausreichend Hardware zu beschaffen war, wurden Deutschlands Kunden (und natürlich auch Schweizer und Österreicher) von Mitarbeitern aus Wohnzimmern, Küchen oder Heimbüros bedient.

Ich habe in der Zeit mit sehr vielen Inhabern, Geschäftsführern und Führungskräften telefoniert oder Video Calls geführt und das Resümee ist überwältigend. Alle schwärmten von gestiegener Produktivität, einer Krankenquote auf historischem Tief und selbst Langzeitkranke meldeten sich zurück. Allen ist aber auch klar, dass diese plötzliche Corona-Loyalität sich im Laufe der Zeit wieder normalisieren wird. Dennoch ist auch klar, was einer meiner Geschäftsfreunde sehr treffend mit den Worten formulierte: „Den Gewinn geb’ ich nicht mehr her.“

Und mit Gewinn ist nicht nur die Produktionssteigerung gemeint. Büroflächennutzung und Mietkosten werden auf den Prüfstand gestellt. Entweder werden die neuen freien Räume für Wachstum genutzt oder sie werden gekündigt. Im ARD Europa Magazin gibt es einen wunderbaren Videobeitrag zum Büro-Immobilienmarkt in London. Dort hat die IHK (Industrie- und Handelskammer) erhoben, dass mittlerweile schon 9 % ihre Büros aufgegeben haben. Hört man die Nachrichten, dass große Firmen wie Siemens, Facebook, Shopify usw. einen Großteil ihrer Mitarbeiter von zu Hause arbeiten lassen wollen, ist es unschwer zu erraten, dass Homeoffice unsere Arbeitswelt nachhaltig sehr deutlich verändern wird.

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Besonders spannend finde ich die gewonnenen Erkenntnisse über Mitarbeiter- und Führungsskills. Nicht nur, dass sich neue Potenziale etwa in ländlichen Regionen oder Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht mobil waren, auftun. Auch bei den bestehenden Mitarbeitern staunt man nicht schlecht. Plötzlich wachen stille Mäuschen durch die remote Einzelansprache des Vorgesetzten auf und werden „sichtbar“. Die Performance wächst und mit ihr die Mitarbeiterzufriedenheit. Führung erfährt trotz Distanz eine völlig neue Nähe. Statt der befürchteten Disziplinlosigkeit ist das Gegenteil eingetreten. Menschen, die sich vor Bildschirmen verabreden, sind pünktlicher, aufmerksamer und verbindlicher als im Konferenzraum. Sogar das aktive Zuhören und Nicht-insWort-Fallen ist zur bestandenen Kür geworden. Und Führung von Mitarbeitern findet auf einmal nicht mehr nur so nebenbei statt. Führung ist geplant, terminiert und inhaltlich vorbereitet. Was aus meiner Sicht noch eine weitere Produktivitätssteigerung infolge mit sich bringen wird.

Und last but not least profitiert auch noch unsere Umwelt durch eine bessere CO₂-Bilanz.

Und die betroffenen Mitarbeiter? Die meisten schwärmen von gewonnener Zeit, die sie nicht im Stau oder überfüllten Bahnen verbringen müssen. Von mehr Privatleben. Von mehr Flexibilität. Gut zwei Drittel der Deutschen wollen auch nach Corona Homeoffice weiter nutzen – mit steigender Tendenz.

Und last but not least profitiert auch noch unsere Umwelt durch eine bessere CO₂-Bilanz. Würden 450.000 Berufstätige in der Schweiz nur einmal pro Woche zu Hause statt im Büro arbeiten, müssten sie auf diese Weise laut der Klimaschutzstiftung My Climate wöchentlich rund 4,5 Millionen Kilometer weniger mit dem Auto und 2,6 Millionen Kilometer weniger im öffentlichen Verkehr zurücklegen. Insgesamt könnten so jede Woche 1.400 Tonnen CO₂ gespart werden.

Homeoffice ist eine echte Win-win-win-Situation, die seinesgleichen sucht. Keine Frage, Corona war und ist nicht schön, aber in Sachen Homeoffice das Beste, was uns allen passieren konnte.

Und noch etwas: Lassen Sie uns nie vergessen, dass „geht nicht“ auch ein fataler Irrtum sein kann.

AUTOR: IRIS GORDELIK

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