Krisenmanager des Jahres 2021 – Rainer Wilmers

Rainer Wilmers

GESCHÄFTSFÜHRER
AC Süppmayer


Offene Baustellen in der Krise beheben

 

„In jedem deutschen Ort gibt es derzeit rund 1.000 offene Kundenservice-Stellen. Das hat Folgen“, sagt Rainer Wilmers, Geschäftsführer bei AC Süppmayer. Er hat eine Fünf-Phasen-Strategie entwickelt, um gleichzeitig Kosten zu senken, Mitarbeiter zu binden und die Kundenzufriedenheit zu steigern.

 

INTRE: Was hat die Corona Pandemie im Kundenservice verändert? RAINER WILMERS: Im Wesentlichen hat die Pandemie die Arbeitsplätze schlagartig nach Hause verlagert. Darauf waren nur wenige wirklich vorbereitet. Einarbeitung, Training und Coaching finden in Onlinetools wie Teams oder Zoom statt. Qualitätsmanagement und Coaching sind weiterhin sehr Excel-lastig und noch nicht digitalisiert. Neben den bekannten Vorteilen hat die neue Arbeitswelt jedoch auch einige Nachteile. Ich halte nichts davon, diese schönzureden, sondern bin fürs Anpacken und Lösen.

INTRE: Was genau meinst du mit den Nachteilen? RAINER WILMERS: Von zwei Seiten herrscht besonderer Druck. Von Kunden und von Mitarbeitern. Erstens, Kunden erwarten eine schnelle und sofortige Lösung ihrer Wünsche. Die Wettbewerber sind nur einen „Klick“ weiter. Warum soll ich als Kunde beim Unternehmen A bestellen? Mit der Vielfalt und dem Gewöhnen an die Lieferung nach Hause während der Pandemie ist auch der Anspruch an den Service weiter gestiegen. Gib den Kunden Gründe, nicht bei Amazon zu bestellen. Das sind nicht nur gute Kundenprozesse, sondern auch empathische und kundenbindende Erlebnisse im Kundenservice. Zweitens: Mitarbeiter haben noch nie im Kundenservice wegen der hohen Verdienstmöglichkeiten gearbeitet. Hauptgründe waren immer Stimmung und Freundschaften unter den Kollegen und die Bindung an die Teamleiter. Projekte, die inhaltlich Spaß machen, haben dieses Gefühl gefördert. Homeoffice war kaum verbreitet. Ich habe vor Kurzem eine Recherche angestoßen. Da Homeoffice zum Standard wurde, gibt es nun in jedem Ort rund 1.000 offene Kundenservice-Stellen. Das hat Folgen. Wenn ich also als Mitarbeiter die Wahl habe zwischen 1.000 Stellen, was tun die Arbeitgeber, um mich zu binden und Frust zu vermeiden, damit ich bleibe und nicht erneut wechsle?

Ich sehe auch in Zukunft
einen hohen Anteil Homeoffice,
um als Arbeitgeber weiterhin
attraktiv zu bleiben.

 

INTRE: Warum sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefrustet? RAINER WILMERS: Über Jahrzehnte spielten Paten in der Einarbeitung eine sehr wichtige Rolle. Diese standen für Fragen direkt zur Verfügung. Bei einem Onboarding im Homeoffice gibt es das nicht mehr. Fachliche Fragen können nicht sofort geklärt werden. Ich kann Kunden nicht helfen und muss sie vertrösten, weil ich Schulungsinhalte vergessen habe. Das frustriert neben Kunden auch die Mitarbeitenden.

INTRE: Was hat das für Konsequenzen? RAINER WILMERS: Wenn Mitarbeiter Kunden nicht helfen können, weil sie sich in bestimmten Situationen nicht an die fachliche Schulung erinnern, sind sie zunehmend frustriert. Das wirkt sich nicht nur auf die Kundenzufriedenheit und durch die Mehrfachbearbeitung auf die Kosten aus. Da die Bindung ohnehin niedriger ist, und 999 weitere Stellen zur Verfü- gung stehen, steigt die Frühfluktuation. Diese konnten wir bereits durch den Einsatz bestimmter Tools und Maßnahmen mit Kunden massiv senken und/oder vermeiden und gleichzeitig die Erstlösungsquote konsequent steigern! Zum Beispiel mit unserer Trainingsplanung, der Integration von E-Learning mit Quizfunktion und dem Qualitätsmanagement inklusive Selbstlernfunktionen.

INTRE: Die Pandemie ist vielleicht bald „vorbei“. Dann braucht es das doch nicht mehr, oder? RAINER WILMERS: Im „neuen Normal“ wird Homeoffice weiterhin eine gro- ße Rolle spielen. Ich sehe auch in Zukunft einen hohen Anteil Homeoffice, um als Arbeitgeber weiterhin attraktiv zu bleiben. Hinzu kommt ein noch schärferer Trend hin zum Nearshoring bzw. Offshoring aufgrund des steigenden Mindestlohns in Deutschland. In Armenien, Griechenland und Co. sind die deutschen Ressourcen endlich. Hier wird es ebenfalls einen „War of Talents“ geben. Und ich muss dort ebenfalls die Frage stellen, wie ich die Mitarbeiter binde und nicht frustriere, aber auch wie ich dort Kunden im Service begeistere. Wenn man die Kundensicht dazunimmt, schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir stärken nicht nur die Bindung der Mitarbeiter, sondern erhöhen mit der Kombination aus E-Learning und Qualitätsmanagement inklusive Selbstlernens durch die bessere fachliche Ausbildung und Begleitung massiv die Lernkurve. Kunden werden besser bedient und Kosten gesenkt. Das sorgt zudem für mehr Kundenzufriedenheit. Trainingsnomaden, die wir vermehrt feststellen, werden sofort erkannt.

 

Wir stärken nicht nur die Bindung
der Mitarbeiter, sondern erhöhen
mit der Kombination aus E-Learning
und Qualitätsmanagement inklusive
Selbstlernens durch die bessere
fachliche Ausbildung und Begleitung
massiv die Lernkurve.

 

INTRE: Was du beschreibst, klingt sinnvoll, aber sehr teuer. RAINER WILMERS: Wenn ich gemeinsam mit unseren Kunden ausrechne, wie viel Kosten wir durch sinkende Frühfluktuation und eine höhere Erstlösung einsparen, rechnet sich der Business Case sofort. Im Ergebnis senken wir Kosten, binden Mitarbeiter und steigern die Kundenzufriedenheit. Rekrutierungskosten sinken. Die Pandemie gibt uns die Chance, diese offenen Baustellen nun endlich zu beheben!

INTRE: Welche Schrittweise empfiehlst du? RAINER WILMERS: Wir haben durch unsere vielen Projekte eine bestimmte Vorgehensweise erfolgreich erprobt. Ich unterteile das in fünf Phasen. Dabei gehen wir ausnahmslos agil vor und starten immer mit einem MVP-Ansatz (Minimum Viable Product, die erste minimal funktionsfähige Iteration eines Produkts, Anm. d. Red.).

ERSTENS: Wir schauen uns den Kundenservice an. Wo sehen wir Optimierungspotenzial? Wie nehmen wir den Kundenservice von außen wahr? Dazu reichen uns kleine Messgrößen. Ergänzend können wir beispielsweise bereits jetzt aus einem Voicefile die Kundenzufriedenheit ermitteln. Auch das zeigt uns, wo der Kundenservice im Benchmark steht.

ZWEITENS: Anhand dieses Bildes, unserer Benchmark-Erfahrung und der Unternehmensstrategie schlagen wir ein Maßnahmenpaket vor. Ein Beispiel: Excellisten bei der Bewertung von Kundenkontakten oder beim Coaching passen nicht zum Homeoffice und sind sehr aufwendig. Deshalb beginnen wir mit der Digitalisierung des Qualitätsmanagements und der Coachingprozesse. Das geht am schnellsten. In der Regel sind wir binnen drei Wochen live.

DRITTENS: Falls nicht vorhanden, schalten wir im nächsten Schritt unsere Module wie Dienstleistersteuerung, Trainingsplanung oder E-Learning-Integration aktiv, um den Kundenservice inhouse oder beim Dienstleister in der Einarbeitung und bei der Steuerung zu unterstützen. Falls solche Module bereits vorhanden sind, binden wir die Ergebnisse bei uns ein, damit wir alle wesentlichen Kennzahlen in einem Dashboard haben.

VIERTENS: Wichtig ist uns, dass vom Management bis zu den Mitarbeitern das eben angesprochene One-Dashboard-Prinzip herrscht. Das Management ist übergreifend in der Lage, intern und extern zu steuern, die Teamleiter, Trainer und Coaches unterstützen die Mitarbeiter damit effizient im Homeoffice. Die Einarbeitung und damit die Qualität steigen auf ein anderes Niveau. Auch die Mitarbeiter erhalten selbst Zugriff auf das Mitarbeiter-Dashboard, um bereits ohne Trainer anhand der Analyseergebnisse sehr einfach ihre eigenen Stärken und Entwicklungsfelder zu sehen. Wir erleben damit regelmäßig einen hohen Selbstlerneffekt bei den Mitarbeitern, auch wenn noch kein Trainer mit ihnen gesprochen hat. Und damit deutlich mehr Lust, weil ich selbst schneller besser werde. Niemand erbringt bewusst einen schlechten Service am Kunden. Falls wir Lücken erkennen, beispielsweise in der Dienstleistersteuerung oder im Training, ergänzen wir mit unserer Dienstleistung.

FÜNFTENS: Im Anschluss prüfen wir optional individuell, ob und welches führende KI-System die Prozessoptimierung oder das Qualitätsmanagement unterstützen kann. Wir haben die relevanten Marktführer einem Benchmark unterzogen und im „Pay per Use“-Modell an unserer Lösung angebunden. Wir wissen damit sehr genau, welches System welche Stärken hat und sind maximal flexibel. Selbstverständlich unterstützen wir bei der Realisierung und der Nutzung solcher Systeme.

 

AUTOR: RED.

 

ÜBER AC SÜPPMAYER Rainer Wilmers hat 25 Jahre Management-Erfahrung bei Outsourcing-Dienstleistern und im Inhouse-Kundenservice. Er ist seit Oktober 2020 Geschäftsführer bei AC Süppmayer mit Sitz in Saarbrücken und Hamburg. AC Süppmayer betreut derzeit rund 150 Unternehmen in Deutschland, wenn es um die Optimierung der Kundenprozesse, der Digitalisierung von Training und Coaching sowie Qualitätsmanagement geht. Basis ist das selbst entwickelte, modulare 360-Grad-Ökosystem. Das Unternehmen setzt dabei konsequent auf die ideale Kombination von Mensch und Maschine (KI) und bietet neben der Software optional Beratungsdienstleistungen und die Übernahme des operativen Qualitätsmanagements sowie Unterstützung bei Dienstleisterauswahl und Dienstleistersteuerung an. www.acsueppmayer.de

 

Verschlagwortet mit , , , , .