COVERSTORY INTRE 03 – 2022

Wir wollen dich!

Sie sind jung, meist top-ausgebildet, lebenslustig und interessiert, ideenreich und selbstbewusst. Für dynamische, innovative Unternehmen sind junge Mitarbeiter ein Muss, aber sie in Zeiten des Fachkräftemangels zu ergattern, scheint oft schier unmöglich. Junge Mitarbeiter zu akquirieren, klappt nur, wenn das Unternehmen viel zu bieten hat. Denn sie wissen, was sie wert sind – und spielen gerne mit dem War for Talents.


Walter ist 57 Jahre alt, leitet eine IT-Abteilung in der Wiener Zentrale eines großen Baukonzerns und sucht eigentlich pausenlos neue Mitarbeiter. Die Anforderungen gibt er vor, ausgeschrieben werden die Jobs von der Personalabteilung, Interviews werden gemeinsam geführt. So weit, so üblich. Was Walter dabei erlebt, erheitert ganze Freundesrunden, macht ihm jedoch zunehmend Sorgen: „Die kommen frisch von der Fachhochschule und verlangen ein Jahresgehalt ein Fünftel unter meinem, dazu Homeoffice nach persönlichem Bedarf – nicht nach Anforderung des Unternehmens –, einen Dienstwagen in spätestens drei Jahren, Ausbildungsmöglichkeiten und Essensgutscheine. Und die Schlussfrage lautet: Ab wann habe ich dann sechs statt fünf Wochen Urlaub?“

Ach ja, in Österreich stehen IT-Fachkräfte auf der Liste der Mangelberufe. Diese Berufe werden jährlich in der Fachkräfteverordnung kundgetan, was für Drittstaatenangehörige mit entsprechender Ausbildung einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Potenzielle junge Arbeitnehmer in der IT-Branche wissen, dass sie sehr gesucht sind und fühlen sich in Bewerbungsgesprächen in einer guten Position. Damit haben sie auch gar nicht unrecht. Unternehmen fragen sich daher, was sie tun können, um junge Mitarbeiter dieser und anderer Branchen zu gewinnen, zu motivieren und zu halten.

Die Vorteile der Jungen

Wohlgemerkt: Unternehmen sollten niemals auf ältere, erfahrene Mitarbeiter verzichten und ihr Know-how hochschätzen, denn es ist Gold wert. Gleichzeitig brauchen Firmen aber auch junges Blut, das besonders formbar, dynamisch, innovativ und unverbraucht ist und frisches Wissen mitbringt. Der Fokus ist freilich auch abhängig von der Branche, denn Medienbranche, IT oder Start-ups brauchen möglicherweise mehr Junge als andere. Wer ohne Soziale Medien nicht weiterkommt, ist zumindest mit Digital Natives gut beraten.

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Doch was können und wollen Digital Natives, was wollen Millennials, was genau ist die Generation Y? Wer junge Menschen als Mitarbeiter gewinnen möchte, tut gut daran sie zu verstehen. Viele Vorurteile und Klischees haben – wie so oft – einen wahren Kern, dürfen aber dennoch nie als Standard betrachtet werden.

 

Tipps für das Recruiting
Ein Blick zu Talentbörsen, Personalberatern, Headhuntern und Karriereportalen ergab hilfreiche Tipps für die Suche nach jungen Mitarbeitern:

  • Werben Sie in Ausbildungsinstitutionen. Fast fertig Ausgebildete und neue Absolventen bringen frischen Wind ins Unternehmen.
  • Junge Arbeitnehmer legen Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Kommen Sie ihnen entgegen und bieten Sie Homeoffice und flexible Arbeitszeitmodelle.
  • Flache Hierarchien schlagen strenge Hierarchien. Kommunikation auf Augenhöhe motiviert – und die ist schon im Bewerbungsgespräch hörbar.
  • Angebote für Teambuilding, Incentives, Firmenaktivitäten, Vorsorgeprogramme, berufliche Weiterentwicklung und vieles mehr zeigen, wie sehr das Unternehmen seine Mitarbeiter schätzt.

 

 

Geld ist nicht alles

… schon gar nicht für jüngere Generationen. Sie sind mit dauernd abwesenden, hart arbeitenden Eltern oder zumindest Vätern aufgewachsen, kennen jedoch andere Entbehrungen, sparen Müssen oder eingeschränkte Chancen oft nicht aus eigener Erfahrung und sind daher häufig der Meinung, dass das Leben mit weniger Geld, aber mehr Freizeit auch genug zu bieten hat. Sie sind oft technikaffin, legen viel Wert auf Selbstverwirklichung und hinterfragen vieles im Leben. Geld wird durchaus in Ausbildung investiert, Leistungsorientierung ist vorhanden und die viel zitierte Work-Life-Balance ist zumindest ein relevanter Faktor. Entsprechend groß sind die Anforderungen an einen guten Arbeitgeber.

Wer junge Mitarbeiter sucht, kommt heute um digitale Instrumente nicht herum. Jobs werden online ausgeschrieben, Bewerbungen online abgegeben, die Vorauswahl erfolgt digital. Wer beim Bewerbungsgespräch sitzt, hat meist bereits mehrere Hürden genommen und befindet sich in der engeren Auswahl. Während der Corona-Pandemie wurden selbst diese Gespräche oftmals per Video-Call durchgeführt. Die erste face-to-face Begegnung mit einem neuen Mitarbeiter … ja, wann findet die dann eigentlich statt?

Suchen und finden

Ohne digitale Medien geht nichts. Junge Arbeitsuchende klopfen selten an Türen und stellen sich vor, sie bewerben sich online und das ist auch gut so. So wie sie ihre Kompetenzen digital präsentieren, erwarten sie das jedoch auch von Unternehmen. Der Internet-Auftritt ist ein zentrales Tool für die Vorrecherche, relevant sind die Informationen über das, was das Unternehmen zu bieten hat, und die Reaktionszeit bei Bewerbungen. Machen Sie sich schlau, welche Medien für ein Stelleninserat in Ihrer Branche am besten geeignet sind. Personalberater und Headhunter besetzen nicht nur Top-Positionen.

Fast-Absolventen von Fachhochschulen, Universitäten, Colleges und Lehrgängen haben drei Vorteile: Sie haben frisches, innovatives Know-how, brauchen meistens Geld und freuen sich auf ihren ersten fachspezifischen Job. In junge Teilzeitkräfte zu investieren, kann sich also auszahlen, denn wenn das Angebot und die Motivation stimmen, könnten sie zu Langzeitmitarbeitern werden. Was es dafür braucht, ist allerdings Rücksichtnahme auf Lernzeiten. Mit einem entsprechenden Entgegenkommen steht einem fruchtbaren Arbeitsverhältnis nichts mehr im Weg.

Mit Motivation bei der Stange bleiben

Um junge Mitarbeiter zu motivieren und im Unternehmen zu halten, muss man ihnen einiges bieten. Weiterbildung darf daher immer als Wunsch geäußert werden und die Unternehmen sollten diesen Weg tunlichst fördern, denn er bringt letztlich mehr Know-how und Kompetenz. Zu den Säulen der Motivation gehört außerdem Teambuilding. Nur, wer sich in der Kollegenschaft gut aufgenommen, wertgeschätzt und verstanden fühlt, bleibt gerne. Teambuilding besteht aus vielen Kleinigkeiten, für deren Erfolg das Echo ausschlaggebend ist: gemeinsame Zeit, Kommunikation und Incentives gehören zum Beispiel dazu. Auch die Fehlerkultur hat viel mit Wertschätzung zu tun. Ein offenes, produktives Feedback vermittelt Lernwille statt Kritik. Feedback einzuholen, gehört zur Kommunikation auf Augenhöhe dazu. Wenn der Chef hören will, was der Jungspund zu den neuen Plänen oder Entwicklungen sagt, dann vermittelt er: Ich will deine Meinung hören, sie ist mir ebenso wichtig wie jene der „alten Hasen“. Das ist Wertschätzung.

Apropos Gespräch mit Vorgesetzten: Regelmäßige Mitarbeitergespräche sind ein Muss und bergen große Chancen für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer. Nutzen Sie die Gelegenheit für beiderseitiges Feedback unter vier Ohren und geben Sie jungen Mitarbeitern eine Perspektive. Im Unternehmen bleibt langfristig meist nur der, der einen Karriereweg für die Zukunft sieht. Das finden Sie nur in Zwiegesprächen heraus. Um auf der Karriereleiter voranzukommen, braucht es Weiterbildung, laufend Anerkennung, Weiterentwicklung – aber auch Pausen. Die Freiheit, ab und an eine kleine Auszeit zu nehmen, für sich selbst, die Familie – Stichwort Väterkarenz – oder die Weiterbildung, gilt als eines der wichtigsten Argumente bei der Wahl eines Arbeitsplatzes.

Deloitte macht in seinem Deloitte Millennial Survey 2021 fünf Kriterien fest, um junge Mitarbeiter zu motivieren: 1. Das „Warum“ der Tätigkeit und der Zweck des Unternehmens. Vision und Mission eines Unternehmens müssen klar definiert und kommuniziert sein. 2. Führungskräfte als inspirierende Mentoren. Transparente Kommunikation und Entscheidungen sind einer der wichtigsten Faktoren zur Steigerung der Loyalität der Mitarbeiter. 3. Persönlich und fachlich im Beruf wachsen. Die Unterstützung der Führungskräfte entscheidet darüber, ob sich junge Mitarbeiter entfalten können. 4. Lebenslanges Lernen als Antrieb. Entwicklungs- und Weiterbildungsprogramme machen fit für höhere Positionen. 5. 14 Uhr aus dem Büro, montags frei. Eine flexible Arbeitszeitgestaltung ermöglicht auch private Entfaltung.

Zum Abschluss noch ein kleiner Appell: Loyalität ist laut Definition eine innere Haltung, die auf Gegenseitigkeit basiert. Es ist die Entscheidung zur Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit auf Grundlage gemeinsamer Werte, Interessen und Ziele. Der entscheidende Begriff ist die „Gegenseitigkeit“. Die Loyalität Ihrer Mitarbeiter ist Ihnen sicher, wenn Gegenseitigkeit, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit beiderseits gegeben sind. Loyalität in nur eine Richtung hat keinen Bestand. Mitarbeiter zeigen Ihrem Unternehmen gegenüber Loyalität, wenn sie sich sicher und verstanden fühlen – dann können aus Jobhoppern Langzeitmitarbeiter werden.

Was ist …

… ein Digital Native? Digital Natives sind Personen, die von Kindheit an mit Informationstechnologien und dem Internet aufgewachsen sind und eine Welt ohne digitale Medien nicht kennen. Das Gegenteil sind Digital Immigrants. Die genaue Definition ist umstritten – feststeht, dass Menschen, die vor 1980 geboren wurden, eher nicht dazuzählen.

… ein Babyboomer? Die Babyboomer wurden in der Zeit zwischen 1946 und 1964 geboren.

… die Generation X? Mitglieder der Generation X wurden in den 1960ern bis 1980ern geboren.

… die Generation Y? Mitglieder der Generation Y wurden in den 1980ern und 1990ern geboren und sind oft gleichbedeutend mit den Millennials.

… ein Millennial? Millennials wurden etwa um die Jahrtausendwende geboren, sind also zwischen den Babyboomern und der Generation Z anzusiedeln. Angaben schwanken, beginnend mit 1976 bis 1980 bis etwa 2000. Sie werden oft auch mit der Generation Y gleichgesetzt.

… die Generation Z? Mitglieder der Generation Z wurden zwischen 1995 und 2010 (oder auch 1997 bis 2012) geboren.

… Generation Alpha? Dieser Generation werden Menschen zugerechnet, die ab etwa 2011 zur Welt gekommen sind oder noch kommen werden.

Diese Beschreibungen stellen nur Richtwerte dar. Konkrete Definitionen sind umstritten und unterliegen der individuellen Interpretation.

AUTORIN: Birgit Weilguni


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