Vertrauen

Es vergeht wohl kaum ein Tag, an dem man nicht von verloren gegangenem Vertrauen lesen kann. Bürger vertrauen Politikern nicht mehr, Dieselfahrer den Autokonzernen nicht, Datenschützer dem Internet nicht. Und am Ende haben wir die große Koalition, eine riesige Sammelklage und die DSVGO.

Das Prinzip ist immer gleich: Dort, wo Vertrauen schwindet, entsteht ein erhöhtes Bedürfnis nach Absicherung. Diese Sicherheit versuchen wir herzustellen durch Gesetze, Verträge oder ein anderer soll’s richten, der eben diese Sicherheit verspricht. Guter Nährboden für Populismus. Aber ich will gar nicht allzu politisch werden. Schauen wir vor unserer eigenen Haustür im Customer Management: Da suchen Firmen den besten Outsourcing-Partner, dem sie ihre Kunden anvertrauen können. Abgesichert wird diese Partnerschaft in oft mehr als 200-seitigen Verträgen, die wirklich alles regeln, wo offensichtlich Misstrauen angebracht ist. Da wird die beste Führungskraft gesucht, der man Hunderte seiner Mitarbeiter anvertraut. Mit dem folgenden Arbeitsvertrag steht man gefühlt quasi schon mit einem Bein im Gefängnis. Nicht, dass Verträge gänzlich überflüssig wären. Doch was ist mit der Verhältnismäßigkeit? Vertrauen und Sicherheit – offensichtlich eine heikle Beziehung. Diese Erkenntnis hat mich und meine Redaktion der „vernetzt!“ so sehr aufgewühlt und beschäftigt, dass wir beschlossen, zu dem Thema inhaltlich aufzusatteln. Und jetzt mal im Galopp durch die nächste „vernetzt!“:

Zunächst: Vertrauen ist für uns überlebenswichtig. Zwar erscheint Vertrauen oftmals als Moralbegriff, doch ist Vertrauen eigentlich die Grundlage, die uns überhaupt handlungsfähig macht. Schlichtweg, weil wir nicht wissen. Wir wissen nicht, ob das Flugzeug, in das wir heute einsteigen, abstürzen wird. Wir vertrauen dem Piloten und den Sicherheitsvorkehrungen der Fluggesellschaft. Wir wissen nicht, ob in dem vor uns stehenden Glas wirklich Wasser ist. Wir vertrauen darauf, dass uns der Kellner wie bestellt auch Wasser bringt. Alles, was zeitlich vor uns liegt, können wir einfach nicht wissen. Nur das Vertrauen darin, dass alles wie erwartet und zuvor gelernt auch kommen wird, befähigt uns zu einem nächsten Schritt. Vertrauen ist also eine subjektive Wahrnehmung aus Erfahrungen der Vergangenheit. Nun ist die Frage: Häufen sich die negativen Erfahrungen derart, dass wir allen Grund haben, Vertrauen zu verlieren? Auf der Suche nach einer Antwort muss ich an meine Kindheit denken. Nach der Schule ging es raus auf den Bolzplatz, Freunde treffen, auf dem Acker Zuckerrüben vom Bauern stibitzen. Meine Eltern wussten nie, wo ich genau war. Sie wussten nur, dass ich um 17 Uhr zum Abendessen wieder zu Hause bin. Das ist heute unvorstellbar. Aus Sicherheitsgründen darf mein Neffe nur mit Walkie-Talkie auf den Spielplatz. Dabei haben wir im Familienumfeld noch nie etwas Schlimmes erlebt. Aber „man hört ja so oft, was Schlimmes passieren kann“.

Die Erfahrungswelt ändert sich
Nicht die real, selbst gemachten, negativen Erfahrungen haben sich also geändert. Aber unsere Erfahrungsumwelt ändert sich rapide. Dank Internet und Medien vervielfachen sich „Erfahrungen“. Erfahrungen sind eine wertvolle Währung geworden. Da hat uns Mark Zuckerberg mit seinem LIKE ja was eingebrockt. Nun lässt sich Vertrauen virtuell herstellen und ist somit auch der Manipulation ausgesetzt. Diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten und ich setze im Vertrauen auf die Evolutionstheorie darauf, dass wir uns anpassen werden, um letztendlich diesen Anforderungen gewachsen zu sein. Momentan scheint zum Beispiel die Blockchain eine Methode zu werden, die uns vor Manipulation schützen könnte. Naiv und fatal wäre es jedoch, Definitionen von wertbesetzten Begriffen, wie Freunde, Vertrauen, Liebe oder Ehrlichkeit, ungefiltert gleichzusetzen in einer digitalen Welt der Avatare. Da uns jedoch genau diese Werte und Emotionen als Mensch ausmachen, bin ich überzeugt, dass etwas anderes in seinem Wert deutlich zunehmen wird: die Bedeutung von persönlichen und vertrauensvollen Beziehungen. Vertrauen, welches ich zu anderen habe und umgekehrt von anderen bekomme, durch nachvollziehbare Entscheidungen und Handlungen. Der Vertrag per Handschlag eines/r ehrbaren Kaufmanns-/frau ist ganz sicher kein Auslaufmodell. Ganz im Gegenteil!

AUTORIN: IRIS GORDELIK  www.gordelik.de
GORDELIK Executive Search & Networking,
Tel: +49 170 9601210, gordelik@gordelik.de

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