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Video-Chat im Kundenservice

Langfristiger Trend oder Nischenphänomen?


Noch steckt die Verwendung von Video-Chat im Kundenservice in den Kinderschuhen. In bestimmten Branchen und einzelnen Firmen wird jetzt schon vermehrt mit Video in der direkten Kommunikation mit dem Kunden gearbeitet. In der Breite hat sich dieser schon seit einigen Jahren prognostizierte Trend jedoch noch nicht durchgesetzt. Warum es sich für Contact Center und Unternehmen lohnt, stärker in diesen Kanal zu investieren, in welchen Bereichen er besonders geeignet ist und welche Barrieren bei Unternehmen, Contact-Center-Agenten und Kunden noch abgebaut werden müssen, ergründet Sebastian Wastlhuber von Jabra.

Das Kundenerlebnis im Mittelpunkt In den letzten Jahren wird sehr viel über die wachsende Bedeutung des Kundenerlebnisses (Customer Experience) – also all dem, was der Kunde vor, während und nach dem
Kauf eines Produkts oder Services erlebt – gesprochen. Unternehmen erkennen immer mehr, dass die Zufriedenheit und somit die langfristige Bindung der Kunden nicht nur über die Produkte allein erzielt werden können, sondern dass jegliche Kontaktpunkte dafür genutzt werden sollten, die Kundenbeziehung zu stärken. All diese Touch Points um ein Produkt herum sollten sich möglichst an dessen Charakter orientieren. Wenn es sich dabei zum Beispiel um eine innovative Software handelt, erwarten Kunden die Möglichkeit, das Unternehmen auf verschiedenen modernen Wegen kontaktieren zu können. Verkauft ein Unternehmen einen Service, der auf gegenseitiges Vertrauen aufbaut, ist es ratsam, Kommunikationskanäle zu wählen,
die es erlauben, eine vertrauensvolle Kundenbeziehung aufzubauen. Als Hersteller professioneller Headsets und Video-Konferenzlösungen betrachtet Jabra insbesondere die Rolle des Telefons bzw. Voice- oder Video-Chats in der Kundenkommunikation sehr genau. Auch wenn durch die voranschreitende Digitalisierung und Automatisierung des Kundenservices viele Anfragen zunehmend über andere Kanäle – sei es E-Mail, Live-Chat, Chat-Bots oder andere Selfservice-Angebote – geklärt werden, bewahrt das Telefon seinen Platz als bevorzugter und am häufigsten genutzter Kanal.¹ Zugleich nimmt die Komplexität der Anrufe zu, wenn Kunden ihre einfacheren Anliegen selbst oder auf anderen Kanälen klären können. Ein wichtiger Faktor
bei der Wahl des Kanals ist die menschliche Komponente: Bei wichtigen Anliegen wünschen sich Kunden immer noch die Möglichkeit, mit einem echten, Empathie fähigen Menschen zu sprechen. Das Gefühl wirklich gehört und verstanden zu werden, ist essenziell für das Vertrauen in ein Unternehmen.

 

Auf der Hand liegt der Mehrwert von
Video auch bei Produkten, die sehr
beratungsintensiv sind und ein besonderes
Vertrauensverhältnis erfordern

 

Video-Chats als nächster logischer Schritt im Contact Center? Herausragende Sprachqualität und Geräuschisolierung sind bei einem Kundengespräch für beide Seiten wichtig. Je besser sich Kunde und Agent verstehen, desto leichter lassen sich Probleme lösen. Je natürlicher Stimmen wahrgenommen werden und je weniger Störgeräusche auftreten, desto angenehmer wird das Gespräch zudem empfunden und desto besser können sowohl Agenten als auch Kunden die Gefühle ihres Gegenübers interpretieren. Denn Emotionen drücken wir nicht in erster Linie über Worte, also über die verbale Kommunikation, sondern über die sogenannte paraverbale und non-verbale Kommunikation aus. Zur paraverbalen Kommunikation gehören Intonation,
Lautstärke, Sprechtempo, Sprachmelodie und Stimmlage. Diese Feinheiten in der Stimme können häufig am Telefon nicht so gut herausgehört werden. Headsets mit hochwertigen Lautsprechern sowie speziellen Mikrofonen, die eine natürliche und klare Sprachübertragung ermöglichen, erzielen hier sehr gute Verbesserungen. Neben der paraverbalen Kommunikation spielt aber eben auch die erwähnte non-verbale Kommunikation eine signifikante Rolle. Wie allgemein bekannt, werden Emotionen und Stimmungen auch durch die Körpersprache – Mimik, Gestik, Haltung, Blick und Erscheinungsbild – ausgedrückt. Wenn ein Unternehmen seinen Kundenservice so menschlich wie möglich gestalten möchte, so wäre es doch der nächste logische Schritt, auch Video-Chats als Kanal anzubieten. Die technischen Voraussetzungen sind mit dem WebRTCStandard, mit dem ohne Zusatzsoftware direkt über alle gängigen Browser ein Video-Chat ohne Medienwechsel initiiert werden kann, schon seit längerer Zeit gegeben und trotzdem hat dieser Kanal in den letzten Jahren nur schleppend Fortschritte gemacht. Und das, obwohl es sehr viele Anwendungsmöglichkeiten gibt. Im Bereich Online-Banking gibt es einige hervorragende Anwendungsfälle, bei denen die Video-Chat-Funktion einen enormen Mehrwert bringt. Um zum Beispiel ein Bankkonto online zu eröffnen, muss man als Kunde zunächst eine Postfiliale aufsuchen und sich mit dem Postident-Verfahren ausweisen. Schon seit 2015 bietet die Post die Alternative, dies über einen Video-Chat zu erledigen. Kunden halten einfach ihren Ausweis in die Kamera, erhalten anschließend eine TAN-Nummer und können daraufhin alle weiteren notwendigen Schritte online und bequem von zu Hause aus vollziehen. Auch Banken selbst nutzen diese Form der Identifizierung für andere Leistungen und Services. Auf der Hand liegt der Mehrwert von Video auch bei Produkten, die sehr beratungsintensiv sind und ein besonderes Vertrauensverhältnis erfordern, wie zum Beispiel eine neue Küche oder die Aufnahme eines Kredits. Browserbasierte Live- und Video-Chats bieten zusätzliche nützliche Features wie Screen Sharing oder Cobrowsing, die es dem Mitarbeiter erlauben, dem Kunden beim Ausfüllen von Formularen oder der Konfiguration von Produkten behilflich zu sein. Einen weiteren Anwendungsfall von Video-Chat sieht man immer häufiger bei Online-Händlern, die durch die Videoberatung die fehlende persönliche Beratung wieder wettmachen. Produkte können so zumindest über das Videobild gezeigt und erklärt werden und das fehlende „Touch-and-Feel“-Erlebnis ersetzen. Hier lohnt sich diese Art von Pre-Sales-Service jedoch hauptsächlich für höherpreisige Produkte. Zudem lässt er sich häufig aufgrund räumlicher Begebenheiten nicht in dem Umfang umsetzen, der erforderlich wäre. Die Agenten bräuchten ja immer Zugriff auf alle Produkte – ohne ausreichend Fläche und Waren kommen Online-Unternehmen hier schnell an Grenzen. Barrieren und Chancen Der Mehrwert von Videokommunikation im Kundenservice liegt eigentlich auf der Hand. Was also hält Unternehmen und Contact Center noch davon ab, es flächendeckend einzuführen? Zunächst einmal muss die Möglichkeit des Video-Chats technisch umgesetzt werden. Je nach bestehenden Kanälen ist das mit unterschiedlich hohem Aufwand für Unternehmen verbunden. Wenn bereits eine Multi-Kanal-Strategie inklusive Live-Chat vorhanden ist, kann die Möglichkeit des Voice- und des Video-Chats Software-technisch relativ unproblematisch und kostengünstig umgesetzt werden. Neu angeschafft werden müssen hochwertige Web-Kameras für die Agenten und eventuell Trennwände, Backdrops oder Green Screens für Agenten, die in Großraumbüros oder im Homeoffice arbeiten. Die Investition in die Technologie wäre also überschaubar. Bedenken, was die tatsächliche Nachfrage, den Mehrwert für den Kunden, aber auch die Akzeptanz bei den CC-Mitarbeitern betrifft, spielen hier ebenfalls eine große Rolle. Die Gründe für die noch geringe Einführung von Videokommunikation im Kundenservice sind vielfältig. In vielen Fällen ist Video-Chat als Service-Kanal schlichtweg nicht zweckmäßig, der Mehrwert für Firmen nicht ersichtlich.

Wenn ein Unternehmen seinen
Kundenservice so menschlich wie
möglich gestalten möchte, so wäre es
doch der nächste logische Schritt, auch
Video-Chats als Kanal anzubieten

Laut einer Studie von PwC zum deutschen CRM-Markt wurde Videotelefonie 2019 mit einem Anteil von nur 2 % als Kanal im Kundenservice genutzt. Bis 2025 prognostizierte PwC kaum Wachstum in diesem Bereich. Durch die Corona-Pandemie hat die Videotelefonie sowohl im geschäftlichen als auch im privaten Bereich jedoch einen enormen Schub bekommen. Um mit ihren Familien trotz physischer Distanz in Kontakt zu bleiben, haben sich selbst ältere Menschen an das Telefonieren mit Video herangetraut. In der Arbeitswelt ist der Anteil der Angestellten, die Video zur Kommunikation benutzen, innerhalb des letzten Jahres von 66 % auf 86 % gestiegen.² Je mehr es zur Normalität für Menschen jeden Alters wird, ihr Gegen- über bei einem Telefonat zu sehen, desto stärker wird hier die Nachfrage nach Video im Kundenservice wachsen. Gleichzeitig werden wohl sowohl Agenten als auch Kunden immer mehr die Scheu davor verlieren, in einem eher unpersönlichen Gespräch ihr Gesicht zu zeigen. Momentan mag es bei Contact-Center-Mitarbeitern noch Bedenken geben. Ihr Beruf würde sich schließlich sehr stark ändern. Mit einem Mal müssten die Mitarbeiter nicht nur auf ihre verbale Kommunikation achten, sondern zusätzlich auf ihre Körpersprache und ihr Erscheinungsbild. Zudem heißt „sein Gesicht zu zeigen“, einen größeren Teil der eigenen Persönlichkeit preiszugeben. Unternehmen müssten ihre Mitarbeiter dementsprechend aufklären und schulen. Video ist jedoch auch eine Chance, die Rolle der CC-Agenten aufzuwerten, ihre Aufgaben interessanter und abwechslungsreicher zu gestalten und ihre Arbeit zu vereinfachen. Wenn ein Kunde das Problem, das er mit einem Produkt hat, dem Mitarbeiter über Video live vorführen kann, sparen sich Kunde und Agenten viele erklärende Worte, Nachfragen, eventuelle Missverständnisse und somit einigen Frust. Zudem ist es leichter, am Telefon ausfallend zu werden und seinem Frust Luft zu machen, als wenn man der Person beim Sprechen ins Gesicht schaut. Ein Lächeln, zustimmendes Kopfnicken und andere feinere mimische Bewegungen drücken Freundlichkeit und Verständnis aus, die allein über Stimme und Worte häufig schwerer zu vermitteln sind. Dies kann helfen, eventuelle Sprachbarrieren zu überwinden. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, Video-Chat für gehörlose oder hörgeschädigte Menschen anzubieten.

 

Video ist jedoch auch eine Chance,
die Rolle der CC-Agenten aufzuwerten,
ihre Aufgaben interessanter und
abwechslungsreicher zu gestalten und
ihre Arbeit zu vereinfachen.

Ausblick
Im Kundenservice-Bereich ist wohl noch eine ganze Weile nicht damit zu rechnen, dass die Videotelefonie die reine Telefonie auch nur annähernd ersetzen wird. Dennoch sollten Unternehmen und Contact Center den Video-Chat als zusätzlichen Kanal in ihrer Kundenkommunikation ernsthaft in Betracht ziehen. Kunden werden zunehmend danach fragen und erwarten, dass sie einen Mitarbeiter des Unternehmens zu Gesicht bekommen können – besonders wenn alle anderen Touch Points digitalisiert und automatisiert sind. Speziell bei jüngeren Generationen, die mit WhatsApp, FaceTime, Zoom und TikTok aufwachsen und beim Anblick eines Festnetztelefons die Stirn runzeln, wird der Video-Chat schnelle Akzeptanz im Kundenservice gewinnen.

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SEBASTIAN WASTLHUBER
Business Development Manager – Contact Center DACH, Jabra
jabra.com.de


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