(c) René Jacobi | Dennis Schottler, Geschäftsführung Diabolcom GmbH

Virtuelle Warteschleifen.

Was ist dran an den Warteassistenten und wieviel Künstliche Intelligenz ist wirklich drin?


Ich stelle mir die Frage, welchen Nutzen es hat, wenn man Anrufer in der Warteschleife auf einen terminierten Rückruf oder eine „Sie sind jetzt dran“-SMS vertröstet, nur weil der Serviceanbieter nicht mehr Herr der Peaks ist. Man will sich als Call Center-Betreiber anscheinend keinen Personalüberhang erlauben, aber sich dennoch einen tollen Service- Level „erschummeln“. Schafft man so wirklich das Warten ab oder manipuliert man nur die Zahl der Wiederanrufer und drückt die AHT (Average Handling Time) runter, um einem pünktlichen Terminrückruf einen Positivzähler bei der Service-Level-Errechnung zu geben?

Kurz erklärt, worum geht es
Es geht um telefonische Erreichbarkeit im Inbound Call Center. Diverse Unternehmen haben Techniken entwickelt, bei denen Betreiber von Call und Contact Centern das Mana-gen von Peaks optimieren können. Und dabei soll es egal sein, welche ACD (Automatic Call Distribution) die Call Center-Betreiber im Einsatz haben. Die messbaren Ergebnisse durch den Einsatz einfacher und dennoch hochentwickelter Technik lesen sich gut:

  1. drastische Reduzierung von Wiederanrufern,
  2. Erreichung des gewünschten Service-Levels,
  3. nachweisbare Reduzierung der Gesprächslängen und
  4. enorme Ersparnis von Verbindungsentgelten beim Einsatz von Servicerufnummern

Nervige Queue? We wait for you!
Wer kennt es nicht? Nach zwei bis drei Minuten in der Warteschleife bei zumeist nerviger Warteschleifenmusik erscheint jede weitere Sekunde, die der Anrufer gehalten wird, als regelrechte Beleidigung. Der Kunde oder Interessent fühlt sich ungerecht behandelt, bis er schließlich auflegt, um dann wenige Minuten später wieder anzurufen und das Spiel beginnt von vorn.

Software kann helfen, sie ist aber nicht das Allheilmittel. Es geht im Call Center immer noch um den Menschen und seine Bedarfe.


Jeder Intraday-Steuerer im Call Center kennt das Phänomen der Wiederanrufer bzw. Wiederaufleger. Die Erreichbarkeits- und Service-Level-Quoten sind im Eimer. Irreparabel! Irgendwann hat der Anrufer die Nase voll. Er vermeidet den Kontakt in das Call Center oder er wartet so lange in der Warteschleife, dass, wenn er denn dann endlich an der Reihe ist, die ersten 120 Sekunden des Telefonats dazu dienen, den völlig überlasteten Agenten mit Vorwürfen zu behelligen. Das kostet! Längere Gesprächszeiten, dadurch noch schlechtere Erreichbarkeit, unzufriedene Anrufer und (nicht zu vernachlässigen) unglückliche Servicemitarbeiter. Wartezeit kostet nicht nur Nerven, sondern auch eine Menge Geld.

Versetzen Sie sich bitte in die Lage des Anrufers. Was könnten Sie nicht alles Schönes machen, statt sich in der Warteschlange hinten anzustellen. Mit den Kindern spielen, relaxen, etwas Leckeres kochen oder einen Podcast hören. Stattdessen hören Sie Warteschleifenmusik und werden zunehmend ungeduldiger. Das ist die große Chance für innovative Call Center-Betreiber oder Serviceanbieter, die Call Center-Dienstleister beauftragen. Verlassen Sie die Normalität, bieten Sie eine moderne Lösung. Schenken Sie dem Wartenden die Wartezeit und lassen Sie einen intelligenten Bot warten. Sobald der Bot ganz vorne in der Reihe „steht“, erhält der Anrufer eine SMS oder wird direkt vom Bot angerufen und mit einem freien Agenten verbunden. Alternativ können auch Telefontermine vereinbart werden. Diese werden dann pünktlich zu einem Call transformiert und beeinflussen den Service-Level positiv. Der ursprüngliche Anrufer wird zum Angerufenen und freut sich über die Einhaltung des Termins. Das fördert die positive Gesprächsatmosphäre und reduziert dadurch in der Regel die Gesprächslänge. Win-win-Situation.

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Wirklich?
Nun ja – in der Theorie klingt das super und man kann die Statistik sicher irgendwie so hinmauscheln, dass es scheint, als hätte sich der Einsatz einer virtuellen Warteschleife gelohnt. Wem das ausreicht, der ist mit einem externen Service, der all diese oben beschriebenen Dinge automatisiert und mit Sicherheit sehr viele Daten verarbeitet und daraus Kalkulationen ableitet, gut bedient. Was daran künstliche Intelligenz sein soll, konnte mir bis heute niemand beantworten.

Wer sich damit nicht zufrieden gibt, sollte hinter die Kulissen schauen
Mir erscheint vor allem wichtig zu evaluieren, wo die Peaks herkommen. Sind die wirklich nicht planbar? Und macht es Sinn, Agenten als reine Anrufannahme-Maschinen im Dienstplan zu managen? Gibt es neben dem Telefonieren gegebenenfalls auch noch weitere Einsatzmöglichkeiten, um diesen Kanal im Falle eines Call Peaks zu priorisieren und Stapelarbeiten auf später zu verschieben? Kann man für einen Peak durch geschickte Priorisierung und Skill-Vergaben in Hochzeiten auf andere Ressourcen zurückgreifen oder gar einen externen Dienstleister hinzuziehen? Eines scheint doch klar: Jeder schnell angenommene Anruf ist besser als ein Rückrufversprechen. Zudem sollte der Serviceanbieter sehr genau evaluieren, wie lange die Wartezeit seiner Kunden als akzeptabel angesehen wird. Die berühmten 20 Sekunden, die sich so viele zum Ziel setzen, scheinen an der Realität vorbeizugehen, wenn der Anrufer weiß, dass er auf einen fallabschließenden Service wartet und ihm verlässlich in der Warteschleife angesagt wird, wie lange er warten muss. Dann kann man sich Warteassistenten wirklich schenken. Sinn macht das Ganze aus meiner Sicht dann, wenn man derartige Szenarien in einer modernen Cloud-basierten ACD abbildet, die durch CRM- (Customer Relationship Management) und WFM (Workforce Management)-Integration auf alle relevanten Daten zugreifen kann, die bei der Errechnung der notwendigen Wartezeit hilft und vor allem sinnvolle Rückruftermine vorschlägt. Sonst wird der Peak nur verlagert, nicht effektiv geglättet.

Moderne ACD-Anbieter haben mittlerweile in der Cloud APIs (Application Programming Interface) verfügbar, die genau auf diese Bedarfe zugeschnitten sind und sich sehr leicht implementieren lassen. Oder arbeiten Sie immer noch On-Premise und müssen sich erst ein teures Update gönnen, bevor Sie in der Champions League der Servicemöglichkeiten mitspielen dürfen?

Wartezeit kostet nicht nur Nerven, sondern auch eine Menge Geld.

Und bei Call Center-Dienstleistern?
Wenn Call Center-Agenten im Hybrid-Modus arbeiten und als „shared agents“ auf mehreren Projekten eingeloggt sind, dann ist ein Algorithmus schnell am Ende seiner Möglichkeiten. Denn nur der mitarbeiternahe Call Center-Manager weiß, dass Petra ihren Sohn erst um 14:00 Uhr vom Kindergarten abholen muss, aber Stefan gerne mal 30 Minuten früher zum Dienst kommt, wenn er dafür statt einmal im Monat den Samstagsdienst drei- oder viermal bekommen kann. Workforce Management ist selten eine Toolfrage. Software kann helfen, sie ist aber nicht das Allheilmittel. Es geht im Call Center immer noch um den Menschen und seine Bedarfe. Egal ob Kunde, Anrufer, Dienstleister oder Call Center-Agent.

Viele Grüße von der Servicefront.

Autor: Dennis Schottler, Geschäftsführung Diabolcom GmbH

www.diabolocom.com


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