Um bei Kunden den richtigen Ton zu treffen, müssen Unternehmen zunächst immer wissen, wen sie eigentlich ansprechen möchten bzw. wen sie vor sich haben. Hierbei hilft ein Blick in deren Alltag, die individuelle Situation, das Kundenverhalten und schlussendlich deren Verständnis von gutem Kundenservice. Ein aktueller Capita Report hat sechs Personas im Finanzsektor identifiziert.
Wie interagieren Kunden? Über welche Kanäle nehmen sie Kontakt auf? Welche Negativfaktoren tragen dazu bei, dass sie sich dem Wettbewerb zuwenden? Im Zuge einer aktuellen Umfrage für den Finanzsektor, an der 2.000 Bank- und Sparkassenkunden in Großbritannien teilgenommen hatten, identifizierten Datenwissenschaftler von Capita kürzlich sechs Personas, die den Entscheidungsträgern helfen sollen, präzisere Kundenlösungen zu entwickeln. Darüber hinaus werden Maßnahmen aufgezeigt, um Zufriedenheit und Loyalität zu erhöhen.
Unterschiedliche Kundenpersonas und ihre Potenziale
1. Der Wechselwillige
Wenn dieser Kundentypus der Meinung ist, dass ihm seine Bank Probleme bereitet oder sich seine finanzielle Situation verschlechtert, neigt er dazu, nach neuen Anbietern zu suchen oder gleich zu wechseln, um seiner Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Der Wechselwillige ist in erster Linie durch finanzielle Vorteile motiviert, wünscht sich jedoch auch besseren Service, da er oft der Meinung ist, schlecht behandelt zu werden. Er ist überwiegend männlich, vollzeitbeschäftigt und hat Familie.
Der Wechselwillige ist in erster Linie durch finanzielle Vorteile motiviert, wünscht sich jedoch auch besseren Service.
.) Wie geht man mit ihm um?
Da sich der Wechselwillige tendenziell weniger wertgeschätzt fühlt als andere und insbesondere auf finanzielle Anreize reagiert, können Banken durch Angebote punkten. Kleine Gesten und Aktionen helfen, diesen Kundentypus näher an sich zu binden und Gesprächsbereitschaft und Unterstützung zu signalisieren.
Obwohl Wechselwillige in der Regel unzufriedener sind als andere Kunden bedeutet das nicht automatisch, dass sie kein Potenzial haben. Denn wenn man weiß, wie diese Kunden die Grundpfeiler des Angebots bewerten, kann man diesen Typus mit individueller Ansprache und einem guten Beschwerdemanagement von seinem persönlichen Wert für die Bank überzeugen.
2. Der Entkoppelte
Diese Persona ist fest davon überzeugt, dass es ihrer Bank egal ist, wenn sie zum Wettbewerber wechselt. Das fehlende Gefühl von Verbundenheit führt dazu, dass sie mindestens ein weiteres Konto besitzt, sich kaum für die Aktivitäten ihrer Bank(en) interessiert, und die Beziehung eher pragmatischer Natur ist. Allenfalls Zinssätze und Bargeldprämien könnte diese Klientel, die überwiegend weiblich, zwischen 45 und 64 Jahre alt ist und ältere Kinder hat, aus der Reserve locken. Ansonsten dürften die Konten vielmehr ruhen.
.) Wie geht man mit ihm um?
Bei diesem Typus ist es für Banken wichtig zu erkennen, dass möglicherweise nicht nur der direkte Kunde derjenige ist, der Unterstützung benötigt. Vielleicht sind auch Angehörige akut von einer instabilen Lage betroffen. Es wird also darauf ankommen, Flexibilität zu demonstrieren, Vertrauen zu schaffen und über gezielte Bonussätze, Zinsen oder Belohnungen Nähe zu erzeugen.
3. Der Progressive
Diese Persona, die unter 34 Jahre alt ist und kleine Kinder hat, mag es digital und innovativ. Der Progressive ist der Meinung, dass sein Finanzinstitut technologisch hinterherhinkt oder lediglich Ideen anderer kopiert, daher ist ein Wechselgrund für ihn folgerichtig auch oft „die bessere Technologie“. Als Kontaktkanal bevorzugt dieser Kundentypus die direkte Ansprache in der Filiale oder telefonisch, da die digitalen oder mobilen Angebote, insbesondere für wichtige Transaktionen, nicht geschätzt werden.
.) Wie geht man mit ihm um?
Der Progressive hat das Vertrauen in seine Bank verloren. Da er davon überzeugt ist, diese agiere digital rückständig, lohnt es sich, beispielsweise über animierte digitale Führungen, alle Möglichkeiten über die verschiedenen Kontaktkanäle aufzuzeigen. Im Zuge dessen kann man diesem Kunden auch individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Produkte anzeigen.
4. Der Persönliche
Diese Persona, die sich überwiegend im Ruhestand befindet, ist der Meinung, dass ihre Bank bemüht ist, ihren Service zu verbessern – sowohl in punkto Kundenbetreuung als auch im digitalen Bereich. Sie schätzt die Mitarbeiter, die mehr tun, als sie müssten. Ihr Wunsch nach einer persönlichen Beziehung äußert sich unter anderem darin, dass sie empfänglich für Informationen ist und aktiv um Unterstützung bittet. Seine Bank wechselt der Persönliche am ehesten aufgrund von schlechtem Kundenservice.
.) Wie geht man mit ihm um?
Diese Persona braucht in erster Linie eine gute Kommunikation. Damit lässt sich auch das Interesse für dedizierte Dienstleistungen erhöhen. Da dieser Kundentyp das Eins-zu-eins-Verhältnis sehr schätzt, können eine stärkere Personalisierung, auf die individuelle Situation zugeschnittene Angebote oder Einladungen zum Testen von Dienstleistungen die Bindung fördern.
5. Der Geschätzte
Er vertraut sich der Bank seiner Wahl vollkommen an, denn er fühlt sich verstanden und wertgeschätzt. Nicht umsonst hat diese Persona sich für die meisten Finanzprodukte aus dem Portfolio entschieden, denn sie ist gut informiert, technik- sowie datenversiert und hat sich schon in jungen Jahren mit ihren Finanzen auseinandergesetzt.
Der Geschätzte vertraut sich der Bank seiner Wahl vollkommen an, denn er fühlt sich verstanden und wertgeschätzt.
.) Wie geht man mit ihm um?
Diese Persona kennt den Wert von Finanzprodukten, vertraut ihrer Bank und eignet sich für eine Neigungsmodellierung*, um weitere, geeignete Produkte zu identifizieren. Mit dieser Form der Vorausschau ist es dann möglich, den in diesem Fall sprichwörtlich geschätzten Kunden mit personalisierten Erfahrungen auf Grundlage der wahrscheinlichen Verhaltensweisen anzusprechen.
6. Der Bereicherte
Er glaubt fest daran, dass seine Bank aktiv dazu beiträgt, sein finanzielles Wohlergehen zu verbessern. Daher agiert er bisweilen auch wagemutig, er legt aber auch großen Wert auf personalisierte Produkte und gute digitale Erfahrungen. Außerdem ist diese Persona interessiert an den Nachhaltigkeitszielen ihrer Bank.
.) Wie geht man mit ihnen um?
Der Bereicherte eignet sich für Feedbackrunden zu neuen Produkten, was bei ihm ein Gefühl der Wertschätzung erzeugt. Einige Finanzdienstleister greifen bereits auf verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse in Kombination mit Technologie zurück, um den Kunden zu helfen, ihren Problemen auf den Grund zu gehen, Barrieren zu überwinden oder um sie zu Tools zu führen, mit denen sie Schulden, Renten oder Zinssätze besser verstehen. Da diese Persona offen für Kommunikation ist, kann sie durch diese Art von Maßnahmen noch stärker an ihre Bank gebunden werden.
Faizt: Mit der Erarbeitung unterschiedlicher Personas ist es nicht getan.
Viel wichtiger ist es, für die individuell identifizierten Kundentypen die richtigen Anreize zu setzen, damit sie sich vom Angebot ihrer Bank persönlich angesprochen fühlen. Ein zentraler Baustein – und gleichzeitig ein wichtiges Kriterium für die Kundenzufriedenheit – ist dabei auch immer die Verfügbarkeit digitaler Dienstleistungen. Wie die Umfrage deutlich zeigte, zählten bei der Wahl einer Bank die Verfügbarkeit digitaler Dienstleistungen nämlich ebenso wie die Qualität des Kundendienstes bei allen Persönlichkeitstypen zu den wichtigsten Kriterien.
Drei Fragen an Jürgen Moormann, Sales Director bei Capita Experience
Herr Moormann, was war der Treiber für diesen Capita-Report?
Jürgen Moormann: Unser Ziel war es, ein detailliertes Verständnis darüber zu erlangen, welche Einstellungen und Verhaltensweisen Verbraucher gegenüber ihrer Bank in einer Zeit des raschen Wandels an den Tag legen. Wir wollten herausfinden, wo und wie sie ihre Bankgeschäfte tätigen, welche Faktoren heutzutage das Vertrauen stärken und wie die Kunden über die ethischen und nachhaltigen Praktiken ihrer Banken denken. Darüber hinaus interessierte uns, wie groß das Interesse an digitalen Angeboten ist und wer hier besonders empfänglich ist.
Fakt ist: Der Bankensektor unterliegt seit Jahren einem enormen Wandel. So haben sich neben den Filialbanken – Experten schätzen hier einen Marktanteil von zirka 70 Prozent – auch die sogenannten Direktbanken, also die Banken ohne eigenes Filialnetz, mit zirka 20 Prozent am Gesamtmarkt etabliert. Beide Bankenarten sehen sich in ihren angestammten Geschäftsfeldern dem zunehmenden Wettbewerb von FinTechs durch Neobanken mit einem niedrigen einstelligen Prozentsatz am Gesamtmarkt mit fast ausschließlicher Kommunikation über die jeweilige App konfrontiert.
Insgesamt hat der Bankenmarkt in Deutschland also einen hohen Bedarf bei der Bewältigung von Herausforderungen im Kundenservice im Allgemeinen und Speziellen, der Erfüllung von regulatorischen Anforderungen, sowie im Rahmen der digitalen Transformation. Hier können spezialisierte Dienstleister wie Capita unterstützen.
Inwiefern spielen die Personas, die Capita in diesem Report analysiert hat, auch in Deutschland eine Rolle?
Jürgen Moormann: Länderübergreifend erlebt der Bankensektor einen technologischen Wandel mit zunehmender Digitalisierung und Entwicklung von FinTech-Unternehmen. Traditionelle Banken sowie neuere Akteure wie Direktbanken und Neo-Banken investieren in digitale und mobile Banking-Angebote, um den veränderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.
Vor diesem Hintergrund spielen Personas auch im Kundenservice deutscher Banken eine wichtige Rolle, sicherlich mit einer eigenen regionalen Ausprägung im direkten Vergleich. Sie helfen bei der Entwicklung von Produkten und Innovationen. Indem Bedürfnisse und Anforderungen verschiedener Personas entworfen werden, können zielgenaue Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden, die genau auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind. Dies führt zu mehr Umsatz bei einer höheren Kundenzufriedenheit und -bindung.
Darüber hinaus kommunizieren Service-Mitarbeiter effektiver mit Kunden, wenn sie sich in die Rolle der verschiedenen Personas hineinversetzen, zielgenauer auf die individuellen Anforderungen der Kunden eingehen und den Service entsprechend situativ anpassen können, was gerade im Beschwerdemanagement wichtig ist. Personas sollten daher schon in die Schulungskonzepte eingearbeitet und über Fresh-up-Trainings immer wieder dafür sensibilisiert werden.
Wie kann Capita Banken und Sparkassen unterstützen – auch und gerade im Hinblick auf unterschiedliche Kundentypen?
Jürgen Moormann: Personas sind nach wie vor ein wertvolles Werkzeug für die Gestaltung von Produkten und Lösungen und den darauf aufbauenden Kundenservice, das gilt auch für Banken. Personas sind dabei nicht statisch, sondern ein Abbild der aktuellen Kundenlandschaft und geben häufig frühzeitig Indikatoren für Entwicklungen und Veränderungen im Zeitablauf. Capita unterstützt dabei, Personas zu identifizieren und zu entwickeln sowie kontinuierlich weiterzupflegen. Mithilfe von Personas wird auch die Customer-Service-Strategie entworfen, von der Implementierung mit dem Trainings- und Schulungskonzept über das Qualitätsmanagement-Konzept bis hin zum Monitoring und dem laufenden Betrieb des Kundenservice. Hierzu richtet Capita ein Service-Lab ein, in dem spezialisierte Capita-Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum datenbasierte Analysen erheben, über den Status quo die Persona-Konzepte und Persona-Kommunikation entwickeln, selbst kanalübergreifend erproben und schließlich über einen Roll-out in den laufenden Kundenservice überführen. Nachweislich haben diese maßgeschneiderten Produkte und Lösungen Prozessverbesserungen und ein Mehr an Umsatz erzielt.
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