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Mentale Gesundheit in der modernen Arbeitswelt

Warum Unternehmen für das psychische Wohlbefinden ihrer Beschäftigten Verantwortung übernehmen sollten und was sie aktiv dafür tun können


Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Diagnosen steigen seit Jahren stetig an und machten im Jahr 2021 rund ein Fünftel aller Krankschreibungen aus. Durch Corona wurde die Situation in den letzten zwei Jahren noch verschärft. Laut einem neuen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur mentalen Gesundheit sind die Fälle von Depressionen und Angststörungen weltweit allein im ersten Pandemiejahr um 25 Prozent gestiegen. Besonders im Gesundheitswesen war der Anstieg enorm, aber auch in dienstleistungsorientierten Berufen – allen voran im Dialogmarketing, zu denen Call-Center-Beschäftigte gehören – sind psychische Erkrankungen die Ursache für überdurchschnittlich viele krankheitsbedingte Fehltage. Dass der Beruf und das Arbeitsumfeld einen großen Einfluss auf unsere mentale Gesundheit haben, ist unumstritten. Arbeitgeber stehen somit in der Verpflichtung, sich des Themas anzunehmen und Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Die Veränderung der Arbeitswelt birgt Chancen, aber auch weitere Risiken.

Den negativen Zahlen und Fakten steht einen positiver Trend gegenüber – und zwar werden psychische Krankheiten zunehmend enttabuisiert, die Aufmerksamkeit für das Thema ist enorm gestiegen. Noch nie gab es so viele Menschen, die auf sozialen Netzwerken – von Twitter über Instagram bis LinkedIn – über Depression, Burnout oder andere Krankheiten berichten. Unter ihnen finden sich sowohl Angestellte als auch Führungskräfte und selbst Prominente. Und sie repräsentieren keineswegs eine kleine Minderheit: Studien zufolge entwickeln etwa 30 bis 40 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens eine psychische Störung wie eine Depression oder Sucht. Aber auch Menschen, bei denen keine psychische Krankheit diagnostizierbar ist, können psychisch und emotional zeitweise so stark belastet sein, dass ihr allgemeines Wohlbefinden, ihre mentale und körperliche Gesundheit und nicht zuletzt auch ihre Arbeit darunter leiden. Unsere immer komplexere und chaotischere Welt sowie eine nicht abreißende Reihe an Krisen, Kriegen und Katastrophen erzeugen bei vielen ein Gefühl der Ohnmacht und erfordern ein hohes Maß an Resilienz. Die digitale Informationsflut und konstante Ablenkungen erzeugen zudem Stress.

Unternehmen haben sowohl eine Fürsorgepflicht ihren Beschäftigten gegenüber als auch ein völlig eigennütziges Interesse, die mentale Gesundheit ihrer Angestellten zu schützen und psychischen Leiden vorzubeugen. Psychische Probleme führen nicht nur vermehrt zu Arbeitsausfall, sondern auch zu geringerer Motivation, Kreativität und Produktivität. Mitarbeiter, die glücklich bei ihrer Tätigkeit sind und sich vom Arbeitgeber verstanden und wertgeschätzt fühlen, werden zudem nicht so schnell zu einem anderen Unternehmen wechseln – oft sogar dann nicht, wenn ein höheres Gehalt geboten wird. Angesichts des Fachkräftemangels und der Kosten, die mit dem Recruiting und Einarbeiten neuer Mitarbeiter verbunden sind, ein weiteres, wichtiges Argument.

 

Psychische Probleme führen nicht
nur vermehrt zu Arbeitsausfall, sondern
auch zu geringerer Motivation,
Kreativität und Produktivität.

 

Flexibles Arbeiten macht glücklich

Die Corona-Pandemie hat, wie wir alle wissen, die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Remotes Arbeiten gab es auch vor Corona schon, aber durch Lockdowns und Homeoffice-Pflicht wurde es plötzlich zum Standard. Und zur Überraschung vieler Führungskräfte funktionierte es überwiegend gut. Beschäftigte lernten die Vorteile flexibler Arbeitsmodelle schätzen und können sich nach zwei Jahren Ausnahmezustand eine Rückkehr zum alten Normal im Büro kaum noch vorstellen. Zugleich vermissen viele den persönlichen Kontakt zu ihren Kollegen. Das Homeoffice wurde häufig genug auch verteufelt, da die soziale Interaktion am Arbeitsplatz wegfällt und es nicht für alle Menschen eine Oase der Konzentration ist.

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So ist es vielleicht wenig überraschend, dass in Jabras Hybrid Ways of Working Report 2022 mit 62 Prozent die Mehrheit der deutschen Wissensarbeiter ein hybrides Arbeitsmodell, also eine Mischung aus Homeoffice oder drittem Ort und der Arbeit im Büro, wünscht. Allerdings haben nur 43 Prozent tatsächlich die Möglichkeit so zu arbeiten.

Bei unserer Studie wurden die Teilnehmer unter anderem auch danach gefragt, wie autonom sie bei der Wahl des Arbeitsorts und der Arbeitszeit sind. Zudem sollten sie angeben, wie sie ihre Produktivität, ihre Motivation, ihre Zugehörigkeit zum Unternehmen, ihr Vertrauen ins Team und in die Führungskräfte, ihre Work-Life-Balance und ihre mentale Gesundheit ganz allgemein bewerten. In allen Punkten fiel das Ergebnis für Beschäftigte mit einer hohen Autonomität signifikant positiver aus als bei jenen mit nur mittlerer oder geringer Autonomität.

Je mehr wir unseren Mitarbeitern vertrauen und zutrauen, das für sie ideale Arbeitsmodell zu wählen, desto glücklicher und desto produktiver sind sie. Produktivität und Wohlbefinden hängen zusammen und bedingen sich gegenseitig: Je produktiver ich bin, desto besser fühle ich mich – und andersherum. Hier sind wir also schon bei unserem ersten und vielleicht wichtigsten Punkt, was Unternehmen für die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden tun können und wie sie dabei gleichzeitig profitieren: ihnen Flexibilität und Eigenverantwortung bei der Wahl des Arbeitsorts zu ermöglichen.

Remotes beziehungsweise hybrides Arbeiten hat allerdings nicht nur Vorteile, sondern stellt alle Beteiligten auch im Bereich des psychischen Wohlbefindens vor neue Heraus- und Anforderungen. Unternehmen können hier sowohl auf der organisationalen als auch auf der Führungsebene präventive Maßnahmen ergreifen.

Struktur und agile Arbeitsweisen

Trotz oder gerade aufgrund der Autonomie der Einzelnen sind klare Strukturen wichtig. Agile Arbeitsweisen sind ideal, um Mitarbeitenden beides zu bieten. Rituale wie ein gemeinsames tägliches Check-in aller Teammitglieder und regelmäßige kurze Feedback-Meetings schaffen einen klaren Rahmen und geben die Möglichkeit, Fragen umgehend zu klären oder um Unterstützung zu bitten. So können die Beschäftigten ideal autonom und produktiv arbeiten. Zudem stärkt die Übertragung von mehr Verantwortung auf die einzelnen Mitarbeitenden ihr Selbstbewusstsein, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass sie sich nicht überfordert oder mit einer Aufgabe alleingelassen fühlen.

Diese Meetings können problemlos auch virtuell oder hybrid auf UC-Plattformen stattfinden. Bei hybriden Meetings ist allerdings zu beachten, dass alle Teilnehmenden gleichberechtigt behandelt werden. Die virtuellen Teilnehmer müssen Teil der im Meetingraum entstehenden Dynamik werden. Hierfür ist eine professionelle Audio- und Videoausstattung sowohl der remote Arbeitenden als auch des Meetingraums wichtig. Alle Kameras sollten immer angeschaltet sein – so fühlen sich remote Teilnehmende besser integriert. Zudem können Emotionen und Befindlichkeiten an Gestik und Mimik besser gelesen werden. Eine gewisse Meeting-Disziplin sowie eine gute Moderation, die alle Teilnehmenden zu Wort kommen lässt, steigert das Meeting-Erlebnis und die Zufriedenheit aller.

 

Produktivität und Wohlbefinden
hängen zusammen und bedingen
sich gegenseitig.

 

Transparente Kommunikation

Für das Wohlbefinden ist es wichtig, dass man seinem Arbeitgeber und seinem Manager vertrauen kann. Um Vertrauen aufzubauen, ist eine transparente Kommunikation essenziell. Werte und Ziele sollten klar kommuniziert, Feedback ehrlich und klar formuliert werden. Kommunikation funktioniert idealerweise in beide Richtungen. Wir empfehlen Führungskräften wöchentliche oder zweiwöchentliche 1:1-Meetings mit ihren Mitarbeitern. Diese können vor Ort im Büro, an einem anderen Ort, aber auch virtuell – dann am besten ebenfalls mit eingeschalteter Kamera – stattfinden und auch mal kürzer ausfallen. Sie sollten aber ernst genommen werden und nicht regelmäßig aufgrund anderer vermeintlich wichtigerer Termine ausfallen. Der Manager oder Teamleiter sollte in diesen Gesprächen auch allgemeinere Fragen zur Arbeitsbelastung, Druck oder Stimmung im Team stellen und dann vor allem zuhören.

Führungskräfte sind keine Psychologen, werden aber in Zukunft immer stärker vor allem emotionale Intelligenz und Empathie vorweisen müssen, um erfolgreich eine diverse und hybride Belegschaft in einer immer komplexer werdenden Welt gleichberechtigt zu führen. Bei der Auswahl und Schulung ihrer Manager sollten Unternehmen daher insbesondere die gefragten Social Skills der Kandidaten berücksichtigen.

Zudem empfiehlt es sich, in regelmäßigen Abständen, möglichst ein- oder zweimal im Jahr, eine Mitarbeiterbefragung durchzuführen. Hier können allgemeine Missstände wie eine zu hohe Arbeitsbelastung ganzer Teams, mangelnde interne Kommunikation oder Probleme mit einzelnen Führungskräften aufgedeckt werden. Wenn nach der Befragung dann auch Taten folgen und die Mitarbeitenden sehen, dass ihr Feedback ernst genommen wird und sich Dinge ändern, trägt dies ungemein zu ihrer Zufriedenheit bei.

Es gibt noch viele weitere Dinge, die ein Unternehmen tun kann, um die mentale Gesundheit ihrer Belegschaft zu fördern und ihre Resilienz zu stärken: Coachings und Mental-Health-Kurse oder Apps zur Verfügung stellen, informelle hybride Kaffeerunden organisieren oder regelmäßige Offsite-Meetings, um aus dem Alltagstrott im Homeoffice und Büro herauszukommen und das Teamgefühl zu stärken, Arbeitszeitreduzierung oder Sabbaticals. Das sind nur ein paar Ideen, die bei uns und anderen Firmen gut funktionieren.

Mentale Gesundheit ist kein „Nice-to-have“ – als Unternehmen hier Verantwortung zu übernehmen hingegen ein „Must“. Flexible Arbeitsmodelle und eine hohe Mitarbeiterautonomität tragen zum psychischen Wohlbefinden bei, bringen aber auch neue Herausforderungen mit sich. Führungskräfte sollten deswegen aber nicht vor hybrider Arbeit zurückschrecken. Externe Berater, aber auch Technologieanbieter wie wir von Jabra unterstützen gerne bei der Umsetzung.

AUTOR: Gregor Knipper, VP & Managing Director Jabra Business Solutions DACH

 

Mehr zu Jabras Well-Being Kampagne finden Sie hier: https://jabra-wellbeing.com/


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