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Die nächste Evolutionsstufe der Sprach-Dialogsysteme

Spracherkennung und Sprachbiometrie zusammen mit Omni-Channel-Integration und selbstlernenden Systemen mit künstlicher Intelligenz ermöglichen einen verbesserten Kundenservice und gesteigerte Service-Effizienz.


IVR, also Interactive Voice Response oder zu Deutsch Sprachdialogsysteme, ist nicht neu. Jeder kennt von Hotlines und Service-Nummern die elektronischen Ansagen, die über Service-Zeiten und Auslastung der Agenten informieren oder den Anlass des Anrufs und andere Anrufinformationen per Tastatur- oder Spracheingaben abfragen, um den Anrufer im Hintergrund vorzuqualifizieren und automatisiert an die richtigen Ansprechpartner weiterzuleiten. Aufseiten der Anrufer sind die üblichen Auswahlmenüs über die Tastatur, Warteschleifen und automatisierten Ansagen nicht immer geschätzt: Anrufer nehmen diese als wenig personalisiert und mitunter auch wenig zielführend wahr, da die Führung anhand festgelegter Dialogbäume entlang eines wahren Irrgartens an Auswahlprozessen zu umfangreich ist, gesuchte Auswahlmöglichkeiten nicht angeboten werden, der gesamte Prozess ermüdend lange dauert und dem Agenten bei Annahme des Anrufs doch oftmals nur ein Bruchteil der benötigten Informationen vorliegt.

Auch die Service-Anbieter erkennen immer mehr die Grenzen der herkömmlichen Sprachdialogsysteme: Zu wenige Optionen, zu wenig Flexibilität in der Einrichtung und zu wenig Entlastung in der eigentlichen Arbeit der Agenten sind die häufigsten Kritikpunkte. Mit der stetigen Weiterentwicklung von Integrationsszenarien, Omni-Channel-Kommunikation sowie der Anbindung kundeninterner Daten- und Informationsquellen wie CRM, ERP oder Wikis, Spracherkennung und selbstlernender Systeme mit künstlicher Intelligenz erweitern sich die Möglichkeiten von IVR-Lösungen rasant.

Per Abkürzung zum Service-Ziel
Neben der Eingabe kurzer Informationen und Daten sind Conversational IVRs in Verbindung mit Text-to-Speech (TTS), Automatic Speech Recognition (ASR) sowie Natural Speech Recognition im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz (KI) in der Lage, auf natürliche Weise in ganzen Sätzen mit dem Anrufer zu interagieren und so die benötigten Informationen für eine Antwort oder Weiterleitung zu ermitteln. Anstatt den Anrufer stur durch die einzelnen Auswahlmenüs zu führen, gelingt es so, aus Schlüsselwörtern oder über semantische Zusammenhänge das eigentliche Anliegen bereits früh im Kundendialog zu erkennen und den Anrufer quasi per Abkürzung direkt ans Ziel zu führen – sei dies der persönliche Kontakt zu einem Agenten, die benötigten Informationen oder etwa ein entsprechendes Formular.

Hier sind wir bei einem weiteren spannenden Leistungsmerkmal einer modernen, in ein kognitives Contact Center eingebetteten IVR angelangt: echte Omni-Channel-Kommunikation, die nicht länger lediglich verschiedene Eingangskanäle wie Telefon, E-Mail, Chat oder Websites unterstützt, sondern auch während des Dialogs den Wechsel der Kanäle und Plattformen und damit ein durchgängiges Kundenerlebnis ohne Medienbrüche über die komplette Customer Journey ermöglicht.

Derartige Systeme sind gemäß einer IVR-to-Digital-Strategie in der Lage, den Anfrager an entsprechenden Stellen des Dialogs etwa auf entsprechende digitale Service Angebote weiterzuleiten – zum Beispiel auf eine Web-Seite mit FAQs oder Produktanleitungen, auf Formulare oder in Support-Foren, in denen die Anfrage bereits diskutiert und gelöst wurde. Auch eine Übergabe an Live-ChatSysteme oder virtuelle Agenten ist damit einfach möglich. Wird trotz aller digitalen Hilfe letztlich doch ein menschlicher Agent eingeschaltet, wählt das System anhand des bisherigen Kontaktverlaufs hierfür automatisch den fachlich am besten qualifizierten Service-Mitarbeiter aus. Dem Agenten steht dann ebenfalls parallel die gesamte Kontakthistorie zur Verfügung, damit er im aktiven Service nicht zwischen den unterschiedlichen Kanälen und Plattformen wechseln muss und schneller auskunftsfähig ist.

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Noch dazu erreicht eine derartige Integration einen weiteren elementaren Vorteil für Kunde und Anbieter gleichermaßen: Alle Informationsquellen, Kanäle und Plattformen sind aufeinander abgestimmt und miteinander im Abgleich, sodass der Kunde überall dieselben aktuellen Informationen und Daten findet. Es kommt einerseits zu weniger Fragen, andererseits auch zu weniger Fehlern oder Änderungsaufwänden im Nachgang.

Von Standardaufgaben bis zur Eskalation Standardisierte Aufgaben und Abläufe im Service lassen sich so bereits vollautomatisiert abbilden. Ein möglicher Use Case im Einzelhandel wäre beispielsweise die Statusabfrage zu einer getätigten Bestellung für ein Mobiltelefon. Während des Anrufs fragt ein Bot zunächst die relevanten Daten zur Identifizierung des Kunden und seiner Bestellung ab, ermittelt parallel in den relevanten Systemen wie ERP oder CRM den aktuellen Status der Bestellung und teilt diesen dem Kunden mit. Darüber hinaus  kann der virtuelle Assistent einen Upselling-Prozess einleiten, beispielsweise für eine passende Schutzhülle oder zur Weiterleitung an einen Experten für die Beratung zu einer Handyversicherung. Bei Interesse kann das System den Kunden dann ohne Prozesslücke per Medienwechsel etwa über eine Push-Benachrichtigung, SMS oder eine E-Mail mit Link direkt zu einer Web-Seite mit Vorschlägen zur Ansicht von Details und dem Kauf der ausgewählten Schutzhülle oder einem Formular zum Abschluss einer entsprechenden Versicherung leiten. Am Ende der Konversation können automatisch Fragen zu Bewertung und Feedback über den Kunden-Service generiert werden, die inhaltlich auf den tatsächlichen Verlauf abgestimmt sind. Damit werden dann nicht nur für Kunden, sondern auch für die Service-Mitarbeiter eine deutliche Entlastung in Standardbearbeitungen und zugleich mögliche Umsatzsteigerungen, eine erhöhte Kundenloyalität und insgesamt eine verbesserte Customer Experience erzielt.

Gleiches gilt etwa bei der Annahme von Schadensfällen bei einer Versicherung. Überhaupt ist der Versicherungs- und Finanzsektor ein hervorragendes Beispiel für die facettenreiche Leistungsfähigkeit moderner Sprachdialogsysteme. So lassen sich etwa auch die besonders sensitiven Authentifizierungsprozesse am Telefon in diesen Bereichen durch den Einsatz von Sprachbiometrie in Verbindung etwa mit Geodaten und simplen Verifizierungsmethoden deutlich vereinfachen und zugleich sicherer gestalten. Dies wird die Customer Experience in diesem Bereich geradezu revolutionieren und es Betrügern, Hackern und Dieben gleichzeitig erschweren, über gestohlene Bankkarten, Phishing oder andere Angriffsvektoren erlangte Einzelinformationen
auszunutzen.
Spracherkennung und Sprachbiometrie bieten in ihren fortgeschrittenen Entwicklungsstufen weitere Vorteile beim Einsatz von Sprachdialogsystemen. Ausreichend trainiert ist fortschrittliche Conversational IVR beispielsweise auch in der Lage, grundlegende Informationen wie das Geschlecht und das Alter oder auch die Tonalität des Anrufers ausreichend zuverlässig zu bestimmen, um etwa die Kundenzufriedenheit zu messen oder bei einer merklichen Verstimmung des Anrufers an einen menschlichen Agenten zur Deeskalation zu übergeben. Hierzu bietet sich auch eine Verbindung der eigentlichen IVR und des gesamten Contact Centers mit externen Spracherkennungs- und Sprachverarbeitungsdiensten an, die sich künstlicher Intelligenz für eine noch höhere Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bedienen. Schon heute lassen sich mitunter natürliche und real anmutende Dialoge vollautomatisiert führen. Wie in einer früheren Ausgabe dieses Magazins zum Thema Chatbots
geschildert, darf bei einigen großen Handelsketten heute vermutet werden, dass einige der dortigen Service-Dialoge im Chat bereits von Bots ausgeführt werden, ohne dass der Anfrager dies zwingend bemerkt. Als Randnotiz sei hier auch erneut angemerkt, dass es die Anrufer wahrscheinlich nicht einmal stören würde, wenn sie es bemerken sollten – solange ihnen schnell und kompetent geholfen wird. Denn dies kann durchaus als einer der Gründe angenommen werden, warum Kunden den
persönlich-menschlichen Kontakt in den allermeisten Fällen bevorzugen: Sie erwarten erfahrungsgemäß einen besseren Service von einem Menschen als von komplizierten und starren Maschinen. Erhalten sie aber ebenso gute Unterstützung über einen virtuellen Agenten, so werden sie auch dies als guten Service wahrnehmen.

Technische Komplexität
Mehr Möglichkeiten wie die beschriebenen führen in der Praxis allerdings auch zu deutlich erweiterten Anforderungen bei der technischen Integration der einzelnen Systeme. Die Einbindung entsprechender IVR-Systeme in das Call Routing ebenso wie die Einrichtung entsprechender Call Flows oder die Anbindung der unterschiedlichsten Daten- und Informationsquellen werden damit deutlich komplexer. Neben einem auf Sprachdialogsysteme spezialisierten Anbieter setzt dies auch technische Experten der
jeweiligen, heute in der Regel IP-basierten Telefonie-Anlage voraus. Die technischen Grundlagen sind dabei in allen marktführenden Lösungen bereits gegeben. Die Anforderungen des einsetzenden Unternehmens und der Nutzer in der Praxis müssen aber zunächst individuell erhoben und definiert werden. Anschließend erfolgt nach entsprechenden Machbarkeitsuntersuchungen die Umsetzung in die etablierten oder neuen Service-Prozesse und schließlich die technische Abbildung und Realisierung. Hier sind neben der reinen Kompatibilität bestehender und neuer Technologien mitunter auch neue Schnittstellen oder ganz neue Einsatzszenarien wie die bereits erwähnte KI-Integration zu berücksichtigen. Die Anbindung an Cloud-basierte KI-Systeme ist hier bei Nutzung eines Cloud-basierten Contact Centers am einfachsten, aber ebenso auch bei einer On-Premise-Installation realisierbar. Strategisch geplant und intelligent umgesetzt, schaffen Sie mit Conversational IVR und kognitiven Contact Centern eine transformierte und revolutionierte Customer Experience und steigern mit der nächsten Evolutionsstufe von Sprachdialogsystemen und intelligenten Service Centern zugleich die Effizienz und Sicherheit in Ihren Service-Prozessen.

AUTORIN: KATHARINA SCHUG,
HEAD OF UC & CONTACT CENTER BEI CONET
www.conet-communications.de 


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