COVERSTORY – INTRE 2022 – 02 Time for a Change

„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert“, sagte Albert Einstein. Manchmal scheint es einfacher, nichts zu verändern und abzuwarten. Experten sind jedoch sicher, dass gerade jetzt die Zeit für Change-Management gekommen ist. Denn Krisen sind eine Gelegenheit neu durchzustarten – und Erfolgsfaktoren neu abzustimmen.


Wir sind fürs Erste durch die Corona-Krise gekommen – manche besser, andere schlechter – und versuchen, mit neuen Herausforderungen wie dem Ukraine-Krieg und Energieengpässen zurechtzukommen. Gerade jetzt wäre es angenehm, an Bestehendem festzuhalten und zu konsolidieren. Viele Unternehmen gehen Veränderungen aus dem Weg und peilen einen Wandel erst an, wenn er sich nicht mehr vermeiden lässt. Doch nun ist Veränderung gefragt, Veränderung von Strukturen, Prozessen und Verhaltensweisen, die jeden im Unternehmen betreffen – von den Führungskräften bis zu jedem einzelnen Mitarbeiter. Und wer um den entscheidenden Faktor schneller reagiert als der Mitbewerb, der hat einen Fuß in der Tür in die Zukunft.

Doch Veränderung passiert nicht „nebenbei“. In der Praxis scheitern viele Change-Prozesse, weil die Rahmenbedingungen nicht passen und nicht alle ins Boot geholt wurden. Ohne Vorbereitung macht sich Widerstand breit, denn Veränderung ist anstrengend – im schlechtesten Fall scheitert sie. Trend- und Zukunftsforscher sehen jedoch die Zeit für einen Wandel gekommen. Denn Veränderungen sind meist die Folge von sogenannten strategischen Wendepunkten. Krisen bringen Unternehmen – und Menschen – an diese strategischen Wendepunkte und erfordern nicht bloß Umdenken, sondern eine regelrechte Neuausrichtung.

Megatrends und Zukunftsprognosen

Das deutsche Zukunftsinstitut veröffentlicht regelmäßig sogenannte Megatrends, die „extrem komplexe Veränderungsdynamiken“ beschreiben und „ein Modell für den Wandel der Welt“ sind. Ein Blick auf die zwölf aktuellen Megatrends hilft, notwendige Veränderungsziele rechtzeitig zu identifizieren. Denn „indem sie Komplexität auf ein begreifbares Level reduzieren, erweisen sich Megatrends als wertvolle Navigationshilfen durch den Dschungel gegenwärtiger und künftiger Wandlungsdynamiken“, wie das Zukunftsinstitut festhält.

Megatrends entstehen durch „die Beobachtung langfristiger Entwicklungen mit großer Relevanz für alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft, die sich mit hoher Verlässlichkeit in die Zukunft ‚verlängern‘ lassen“. Trends entstehen, wenn sich Phänomene oder Innovationen von Randbereichen und Nischen in die gesellschaftliche Mitte hineinbewegen. Oder es handelt sich um neue Phänomene und kleine Avantgarden, die den Mainstream verändern.

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Angesichts großer Veränderungen, die die Corona-Pandemie, der Russland-Ukraine-Krieg, der Paradigmenwechsel in der Energieversorgung, der Boom der Elektromobilität oder die verstärkte Aufmerksamkeit auf weibliche Themen mit sich brachten und bringen, verwundern viele der vom Zukunftsinstitut definierten Megatrends nicht. Es handelt sich dabei um

·         Megatrend Gender Shift

·         Megatrend Gesundheit

·         Megatrend Globalisierung

·         Megatrend Konnektivität

·         Megatrend Individualisierung

·         Megatrend Mobilität

·         Megatrend Sicherheit

·         Megatrend New Work

·         Megatrend Neo-Ökologie

·         Megatrend Wissenskultur

·         Megatrend Silver Society

·         Megatrend Urbanisierung

„Arbeit an der Zukunft basiert auf dem Zusammenspiel von Reflexion und Prognostik, das auf neue Erkenntnisse abzielt. Durch die Beobachtung der Gegenwart lassen sich die Muster des Wandels und ihre Zukunftspotenziale analysieren. Die Voraussetzung dafür ist ein ganzheitlich-systemisches Verständnis gesellschaftlicher Wandlungsprozesse“, so das Zukunftsinstitut. Wer also Entwicklung im und rund um das eigene Unternehmen reflektiert und in Beziehung zu den definierten Megatrends setzt, kann damit Erkenntnisse für Zukunftspotenziale gewinnen.

Krisen bringen Unternehmen an
strategische Wendepunkte und erfordern
nicht bloß Umdenken, sondern eine
regelrechte Neuausrichtung.

Alle in einem Boot

Wie kann Veränderung aussehen? Die Bandbreite lässt viele Optionen zu: Neue Technologien, neue Märkte, neue Produkte, ein neu gekauftes Unternehmen, aber auch Kosteneinsparungen, Prozessänderungen, Mitarbeiterschulungen oder neue Regel für das Customer-Relationship-Management sind möglich. Der Knackpunkt ist dabei stets: Change-Management, das garantiert, dass alle auf die Änderungen vorbereitet sind und den Schritt in eine neue Unternehmensära mittragen. Change-Management setzt beim einzelnen Mitarbeiter an und macht die Veränderung zum kollektiven Ziel, denn nur, wenn alle im selben Boot sitzen, kann sie gelingen.

Es sind übrigens nicht immer nur die Mitarbeiter, die Veränderungen nicht mittragen wollen. Auch viele Führungskräfte wollen oder können nicht erkennen, wenn die Zeit für Veränderungen gekommen ist. Wenn Krisen jedoch nicht genutzt werden, um Neuordnungen anzustoßen, dann bringt man sich selbst um die beste Gelegenheit und lässt Zeitfenster ungenutzt vorüberziehen. Daher wäre jetzt die beste Gelegenheit, aus einer „Chance“ einen „Change“ zu machen – mit kleinstmöglichem Aufwand.

Planung ist alles

Veränderungen brauchen Zeit, da alle Betroffenen involviert werden müssen. Sie müssen so geplant werden, dass alle den Wandel mitmachen können. Daher ist es wichtig, Veränderungen zu erkennen und zu identifizieren, wenn sie gerade in den Startlöchern sind. Megatrends entfalten ihre Dynamik zwar über längere Zeiträume, vergleichsweise schnelle Durchbrüche auf den Märkten und Disruptionen können aber ebenfalls aus ihnen entstehen. „Die Arbeit mit Megatrends ist daher ein unverzichtbares Instrument für das Management und die strategische Planung in Unternehmen und Institutionen“, schließt das Zukunftsinstitut daraus. Und „Planung“ ist in der Folge eine Schlüsselhandlung, um den größten Nutzen aus dem Wissen um Trends zu ziehen. Wer schnell und proaktiv steuert, nutzt einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen. Veränderungen in der Wirtschaft passieren meist schleichend, im Alltag nimmt man sie nicht wahr. Für strategische Planung gilt es daher, einen – geistigen – Schritt zurückzumachen und Entwicklungen in ihren langfristigen Tendenzen zu analysieren.

Change-Management folgt stets denselben Grundregeln: Veränderungsbedarf erkennen und erfassen, alle Beteiligten einbinden, planen, durchführen, monitoren, analysieren. Ein breites Spektrum an Methoden und Instrumenten steht dafür zur Verfügung – in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Theorie und Praxis können selbst komplexe Veränderungen nachhaltig gestaltet werden. Doch nicht nur das Erkennen von Veränderungsbedarf bringt Unternehmen weiter, sondern die professionelle, strategische und durchgeplante Implementierung mit anschließender Evaluierung. Veränderungen laufen Gefahr, nicht den gewünschten Erfolg zu bringen, wenn Mitarbeiter überrumpelt werden, der Wandel zu radikal, zu tiefgreifend oder zu wenig verständlich ist, wenn das Ziel nicht klar definiert wird oder in der Vergangenheit Veränderungen negative Ergebnisse gebracht haben. Daher müssen Veränderungen gut geplant und alle Betroffenen eingebunden werden.

 

Krisen geben Impulse

Der Duden beschreibt die Bedeutung einer Krise mit „schwierige Lage, kritische Situation, kritischer Wendepunkt“. In China gibt es dafür zwei Schriftzeichen, eines bedeutet „kritischer Zustand“, das andere „Gelegenheit“. Krisen stellen eine Zäsur in der Normalität dar, sie erfordern eine Umorientierung und Auseinandersetzung mit ihren Auswirkungen – und sie verändern. Damit sind sie aber auch Chancen, Gelegenheiten, um die Veränderung für sich zu nutzen – vorausgesetzt man reagiert rechtzeitig. Der Psychologe und Sozialwissenschaftler Kurt Lewin ging davon aus, dass jede Veränderung auf dem Weg von der alten zur neuen Struktur drei Phasen durchläuft: Unfreezing, Changing, Refreezing.

  • ·         Unfreezing: Auftauen – die Krise und ihre Dringlichkeit erkennen, Gefahren und Missstände identifizieren
  • ·         Changing: Wandel – gemeinsame Entwicklung einer Vision oder Strategie, gemeinsame Umsetzung, laufende Kommunikation, Evaluierung, Abbau von Widerständen
  • ·         Refreezing: Einfrieren – Veränderung als neuen Standard festlegen, kontrollieren, Veränderung leben

Quelle: https://den-wandel-gestalten.de

Der Faktor Mensch

Denn ein Blick auf die Megatrends verrät: Der Mensch ist bei vielen Prognosen im Fokus des Wandels. Frauen übernehmen neue Rollen in Wirtschaft und Gesellschaft – siehe Megatrend Gender Shift. Der demografische Wandel versetzt vormals „ältere Semester“ in aktive, dynamische Positionen – Stichworte Silver Society und Gesundheit. Und letztlich werden natürlich alle Trends von Menschen getragen. Der Faktor Mensch bleibt das wichtigste Kapital, daher sind Führungspersonen gut beraten, nicht nur alle ins Boot zu holen, sondern für jede Veränderung die Rolle der Menschen zu hinterfragen. Wie gehen die Mitarbeiter mit Homeoffice um und gilt das für alle? Schürt die verstärkte Digitalisierung Existenzängste und wie begegnen wir ihnen? Tragen die Mitarbeiter neue nachhaltige Werte mit oder sind es für sie reine Lippenbekenntnisse? Veränderungen sollten nicht bloß von oben nach unten verordnet, sondern im Team geplant und implementiert werden.

 

Jetzt wäre die beste Gelegenheit,
aus einer „Chance“ einen „Change“
zu machen.

 

Sie nutzen verstärkt digitale Medien und sehen in den Megatrends Konnektivität und Wissenskultur die größten Chancen der unmittelbaren Zukunft? Denken Sie dabei auch an das Know-how im Haus. Die Studie IT-Jobs 2020, die im Auftrag des Personaldienstleisters Hays von der International Data Group (IDG) durchgeführt wurde, zeichnete für ITler ein rosiges Zukunftsbild, sofern sie sich spezialisieren und über allgemeine IT-Grundlagenkenntnisse hinausgehen. Sorgen Sie mit Weitblick für die Spezialisierungen Ihrer Mitarbeiter, die morgen gefragt sein werden. Investieren Sie in Know-how und Skills und damit in die künftigen Leistungen Ihres Unternehmens, bevor es die Mitarbeiter selbst tun und abwandern. Sehen Sie Ihre Mitarbeiter stets als Kapital des Wandels – denn alles andere entwickelt sich mit und durch die Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter.

 

AUTORIN: Birgit Weilguni, Textor.at


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