Wir sind das Spiegelbild unserer Auftraggeber

Warum von der richtigen Kundenservicestrategie alle profitieren. Ein Interview mit Anton Schenk, Business Development and Strategy Director bei Capita.


Schnelligkeit, Empathie und Lösungskompetenz sind entscheidend für guten Kundenservice, dies sind seit vielen Jahren die Grundlagen. Bleiben Unternehmen hinter den Erwartungen zurück oder geraten in Turbulenzen bei der Beantwortung der Kundenanliegen, beauftragen sie einen Dienstleister – meist mit der Prämisse, das hohe Aufkommen an Anfragen innerhalb eines gewissen Zeitrahmens zu bearbeiten. Dies jedoch ist ein völlig falscher Ansatz und kann lediglich eine Übergangslösung sein, meint Anton Schenk.

 

Herr Schenk, die Anforderungen seitens der Verbraucher steigen – insbesondere, wenn es um das Thema Kundenservice geht. Corona hat diese Entwicklung nochmals befeuert. Wie bereit sind Unternehmen in Deutschland, die hohen Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen?

ANTON SCHENK: Für die meisten Unternehmen, vor allem im Mittelstand, hat sich der Kern des Themas Kundenservice noch gar nicht richtig erschlossen. Sie treten dann mit der Bitte an uns heran, eine Anzahl an Mitarbeitenden bereitzustellen, um ihr Volumenproblem zu lösen. Wir sollten heute jedoch nicht mehr überlegen, wie viele Kundenservice-Betreuer benötigt werden, um eine Anzahl x an Anliegen zu lösen. Bei Capita fragen wir an dieser Stelle dann erst einmal, wie der Kundenservice bis dato gestaltet ist, welche internen Prozesse zum Tragen kommen, und welche Kanalstrategie der Auftraggeber verfolgt. Dabei stellen wir häufig fest, dass sehr viele Unternehmen das Thema noch nicht ganzheitlich angehen, sondern nach wie vor denken, dass sie ihr Problem über eine möglichst große Anzahl an Mitarbeitenden in den Griff bekommen. Ich bin aber davon überzeugt: Um optimalen Kundenservice bereitstellen zu können, muss man weitaus früher ansetzen.

 

Was bedeutet das konkret?

ANTON SCHENK: Im Prinzip kann man sagen: Haben unsere Auftraggeber „ihre Hausaufgaben“ nicht gemacht und keine dedizierte Kundenservice-Strategie erarbeitet, können wir als externer Dienstleister in der operativen Abwicklung die hoch gesteckten Ziele nicht erfüllen. Zumindest nicht sofort. Es geht mehr denn je darum, den Kundenservice ganzheitlich und partnerschaftlich anzugehen. Wir als Dienstleister sind ein Spiegelbild des Auftraggebers. Je schlechter eine Organisation aufgestellt ist, desto größere Probleme wird es in der Erfüllung unseres Auftrags geben. Daher starten wir häufig mit einem begleitenden Ansatz in ein Projekt: Wir betrachten vorab bereits die Strukturen bei unserem Auftraggeber, beraten und schaffen gegebenenfalls Standards. So sind wir in der Lage, substanziell bessere Arbeit abzuliefern als zuvor.

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Auftraggeber müssen also erst gut genug vorbereitet sein, bevor sie zu Ihnen als Dienstleister kommen? Ist das Ihre Botschaft?

ANTON SCHENK: Was ich sagen möchte, ist: Je besser wir als Dienstleister und unsere Auftraggeber sich einander annähern, desto bessere Ergebnisse lassen sich gemeinsam erzielen. Mir kommen da immer diese Bilder aus den sozialen Medien in den Sinn, wo die Hundebesitzer mit der Zeit mehr und mehr ihren Vierbeinern ähneln. Bedeutet in unserem Fall: Unsere Arbeit ist ein Spiegelbild der Produkte und Services unserer Auftraggeber. Ist der Auftraggeber mit all seinen Prozessen und Systemen gut organisiert, ist es für uns leichter, ihn dort abzuholen und dessen Kunden einen guten Service zu offerieren.

 

Welchen Faktoren sollten ihre potenziellen Auftraggeber hier besondere Beachtung schenken?

ANTON SCHENK: Unternehmen sollten sich in erster Linie Gedanken um ihre Kundenstruktur und deren Verhaltensmuster machen. Daraus resultiert ein Kontaktverhalten, daraus lässt sich ein erster, strategischer Forecast ableiten. Voraussetzung hierfür ist immer eine gute Datenbasis, auch wenn wir uns alle damit abfinden müssen, dass wir heutzutage nicht mehr ein bis zwei Jahre im Voraus planen können. Daher ist es auch wichtig, einerseits flexible vertragliche Mechanismen einzuführen und andererseits die Customer Journey vollumfänglich zu betrachten und mithilfe der richtigen Tools den Kundenservice Schritt für Schritt zu optimieren bzw. den aktuellen Anforderungen und Rahmenbedingungen anzupassen. Mit Tool meine ich hier nicht nur Software oder Plattformen, sondern durchaus einen breiten Werkzeugkasten an digitalen wie auch operativen Instrumenten.

 

Was ist für Sie ein typisches Worst-Case-Szenario?

ANTON SCHENK: Ist ein Unternehmen nicht gut darauf vorbereitet, den Kundenservice outzusourcen, ist es für den Dienstleister kaum machbar, eine positive Kundenerfahrung zu gestalten. Sind wir zum Beispiel vertraglich verpflichtet, ein Reporting zu erstellen, benötigen wir die dafür notwendigen Daten. Wenn wir dann weder Zugriff auf diese Daten noch die Möglichkeit haben, die nötigen Informationen zu sammeln, können wir eine solche Dienstleistung nicht erbringen. Der Auftraggeber kann dann noch so sehr auf vertragliche Vereinbarungen pochen – was nicht existiert, können wir auch nicht reporten. Diese Erkenntnis reift oftmals erst sehr spät.

 

Können Sie ein Beispiel skizzieren?

ANTON SCHENK: Vor Kurzem ist ein junges Start-up an uns herangetreten mit der Bitte, ihren Kundenservice zu übernehmen. Da wir bereits damit rechneten, dass hier schnelle Ergebnisse von uns erwartet werden, haben wir vorab erst mal einen Rapid Scan durchgeführt. Dieser Prozess schenkt uns sofortige Transparenz. So können wir aufzeigen, welche Maßnahmen nötig sind, um den Kundenservice möglichst schnell effizienter zu gestalten. Gleichzeitig können wir so Schwachstellen und Wege aufzeigen, um den Kundenservice strategisch weiterzuentwickeln. Dies betrifft Arbeitspraktiken, Prozesse und Verfahren, Kundenkontakt und Servicenutzung. Wir sind so auch in der Lage, Tools und Technologien für mittelfristige Maßnahmen zu empfehlen, die Abläufe vereinfachen und die Mitarbeitenden digital unterstützen. Im genannten Fall sind wir auf viele Baustellen gestoßen, für die wir aber auch umgehend Lösungsansätze aufzeigen konnten. Als wir diese gemeinsam abgearbeitet hatten, war das Unternehmen erst wirklich für ein Outsourcing des Kundenservice bereit. Und dann konnten wir auch ernsthaft über Next Level Customer Experience sprechen.

 

Können wir in Deutschland überhaupt bereits von Next Level Customer Experience sprechen?

ANTON SCHENK: Wir sollten auf jeden Fall sofort damit anfangen! Hier können wir uns von global agierenden Unternehmen eine Scheibe abschneiden. Apple ist und bleibt unerreicht, wenn es um das Thema Kundenservice geht. Viele Dienstleister haben sich bei der Leistungserbringung bereits aus dem deutschen Kundenservice-Markt verabschiedet und erbringen ihren Kundenservice near-shore oder off-shore. Grundlage für diese Auslagerung ist jedoch eine Digitalisierung mitsamt den nötigen Strukturen und Prozessen. Führt man sich jedoch den Digitalisierungsgrad im Mittelstand, bei den Energieversorgern oder im öffentlichen Sektor vor Augen, ist eine Auslagerung oftmals keine wirklich kundenzentrierte Option.

 

Das heißt, wir stehen immer noch ganz am Anfang?

ANTON SCHENK: Zunächst einmal haben wir auch in Deutschland längst verstanden, dass die „Geiz ist geil“- Zeit vorbei ist und ein guter Kundenservice erfolgskritisch ist. Spätestens die Pandemie hat gezeigt, dass der Unmut der Kunden, wenn sie 30 Minuten in der Warteschleife hängen, irgendwann eine Schwelle erreicht hat, an der sie dem Unternehmen den Rücken kehren. Die Branchen reagieren darauf aber sehr unterschiedlich – bisweilen sogar mit Ignoranz – oder sie wissen einfach nicht, wo sie ansetzen können. Letzteren sei gesagt: Guter Kundenservice resultiert in erster Linie auf einem fundierten Kundenverständnis. Um sowohl das Kundenerlebnis als auch die eigenen Produkte verbessern zu können, sollten die Unternehmen daher stärker mit ihrer Zielgruppe in Kontakt treten und deren Bedürfnisse verstehen. Erst mit diesen Daten und dem daraus resultierenden Wissen kann die Grundlage für guten Kundenservice gelegt werden – ob inhouse oder in Zusammenarbeit mit einem Dienstleister.

Wir danken Ihnen für das interessante Interview, Herr Schenk!

Über Capita

Capita ist ein Unternehmen für Consulting, Transformation und digitale Dienstleistungen. Mit rund 50.000 Kolleginnen und Kollegen hat das Unternehmen es sich zur Aufgabe gemacht, dass jeder Kundenkontakt ein guter Kontakt ist – durch empathische Kundenservice-Mitarbeitende und der Bereitstellung von innovativen Lösungen und Technologien, die die Verbindungen zwischen Unternehmen und ihren Kunden positiv verändern und vereinfachen. Capita ist an der Londoner Börse (CPI.L) notiert und betreibt Standorte in Großbritannien, Europa, Indien und Südafrika. Das Unternehmen ist in drei Geschäftsbereichen organisiert: Capita Portfolio, Public Service und Capita Experience. In Deutschland und der Schweiz übernimmt Capita als Teil der Experience Division das Customer Management für Unternehmen in unterschiedlichen Branchen, immer mit dem Ziel, bessere Kundenerlebnisse zu gestalten.

Weitere Informationen unter: www.capita.com oder www.capita-europe.com


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