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Homeoffice, New Work und Customer Service

Ein bisschen von allem bitte, Herr Ober!


„Wir überschätzen die kurzfristigen Folgen von Technologien, aber wir unterschätzen die langfristigen“, sagte der US-Zukunftsforscher Roy Amara. An diesen Satz muss ich oft denken, wenn ich all die Diskussionen, Statistiken und Umfragen rund um Homeoffice, remote Arbeiten und remote Führen beobachte. Die Contact Center haben extrem schnell reagiert und zu Beginn des Lockdown 2020 die komplette Belegschaft samt Technik ins Homeoffice verlagert. 2021 boomen die Hybrid-Modelle. Nicht zuletzt auch deswegen, weil wir erkannt haben, es geht und bringt auch noch Vorteile. Also ein bisschen von allem bitte,
Herr Ober! 

Insgeheim aber freuen sich schon alle Kontroll-Freaks, Anwesenheitsetischisten und Abwesenheits-Skeptiker, dass allerspätestens mit Erreichen der sogenannten Vollimmunisierung in der Bevölkerung der Normalzustand wieder eintritt. Es gibt mindestens so viele Studien Pro-Homeoffice wie Contra- Homeoffice. Etwa „Isolierung im HO senkt die Kreativität“ (Studie von Atlassian). Besonders aber „Verlust von sozialen Bindungen“, „Vereinsamung“ oder „Erhöhung der Arbeitsbelastung und psychosomatische Erkrankungen“ sind Wasser auf deren Mühlen. Ich sage nicht, dass wir Menschen vergessen sollen, die das Gefühl haben, die Welt steht seit dieser schrecklichen Pandemie Kopf. Veränderungen sind irritierend. Ganz sicher müssen Führungskräfte jetzt ganz besonders gut hinschauen, wo Mitarbeiter ernsthafte Probleme haben. Dazu brauchen Führungskräfte Zeit. Sehr viel mehr Zeit. Ich sage aber auch, das ganze Geplänkel um Homeoffice können wir uns schenken. Der Drops ist gelutscht. Die Diskussion erinnert mich sehr stark an Experten im 19. Jahrhundert, die meinten, dass Menschen ernsthaft gesundheitlichen Schaden annehmen, wenn sie mit der Eisenbahn schneller als 30 km/h fahren. Oder an Sir Erasmus Wilson: „Wenn die Weltausstellung in Paris zu Ende ist, wird man nie wieder etwas vom elektrischen Licht hören.“ Zu diesen Irrtümern und Fehlprognosen gehört auch „Homeoffice macht krank.“ (DEKRA Studie, 2021). Sicher ist, dass mit der Pandemie 2020 ein tiefgreifender und nachhaltiger Wandel unserer Gesellschaft begonnen hat: hin zur Autonomie über Leben & Arbeiten. Der Zuspruch von bereits über 90 % der Beschäftigten pro Homeoffice (Studie FH Dortmund) bestätigt den Willen nach Autonomie. Und einmal erkannt und bewiesen, dass es funktioniert, wird der Wunsch nach Umsetzung nie wieder schweigen. Homeoffice hat den Megatrend New Work weiter befeuert. Die Dynamik und Power für diesen Wandel liegen dabei eh bei den Menschen und nicht bei den Unter- nehmen. Firmen werden sich diesen Bedürfnissen und Forderungen beugen müssen.
Autonomie heißt, Menschen entscheiden selbst, wann (time) sie arbeiten, was (task) sie arbeiten, wie (technology) sie ihre Arbeit tun und mit wem (team). Die gewonnene Erkenntnis, nicht mehr das Leben um die Arbeit herum organisieren zu müssen, sondern die Arbeit ins Leben integrieren zu können, lässt sich einfach nicht mehr rückgängig machen. Längst schon bleiben offene Stellen unbesetzt, ohne Homeoffice-Angebot. Immobilienmakler von Mallorca bis zur Algarve tragen gerade ihre Provisionen in Koffern nach Hause. „Alles Leute, die in Corona gemerkt haben, sie können auch von hier aus prima arbeiten.“ Und Fiverr (Mission: Changing how the world works together) hat seinen Unternehmenswert von 780 Millionen Dollar auf über 8 Milliarden gesteigert. Die Everest Group schätzt, dass die Gig-Economy in den USA bis 2027 auf 86 Millionen GigWorker anwächst. Überhaupt sehe ich die gesamte Gig Economy als einer der Treiber, der auch die Customer-Service-Welt gravierend beeinflussen wird. Gig-Worker im Kundenservice, sogenannte GigCX, sind besonders unter den Millennial-Agenten höchst beliebt. Sie entscheiden, wann, von wo aus und für welche Firmen sie im Kundenservice arbeiten wollen. Oft arbeiten sie für mehrere Unternehmen. Die Nachfrage der Firmen wächst ebenfalls stetig. Denn mit Fortschritt der KI werden Kundenanfragen immer besser erkannt, simple Cases werden an GigCX-Agenten weitergeleitet. Höherwertige Cases werden durch die Vollzeitagenten mit mehr Fachwissen betreut. Unternehmen wie Fiverr entwickeln sich zum Amazon für digitale Dienste und das wird die Geschäftsmodelle von Outsourcing-Dienstleitern mächtig tangieren. Der Paradigmenwechsel ist längst in vollem Gange. Irrtum ausgeschlossen.


AUTOR: IRIS GORDELIK
Ausgabe 23 Halbjahr 1/2021
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